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Im Spätherbst und Winter hat der Gärtner meist Zeit, um über Phänomene die er sich nicht erklären kann, nachzudenken. Eine Situation kommt recht häufig vor. Bei einem Blick über den Acker oder das Gartenland stellt der Landwirt oder Gärtner oft fest, dass viele, aber nicht alle Pflanzen auf dem gleichen Feld oder Beet, von einer Krankheit, zum Beispiel der Kraut- und Knollenfäule, einer Erkrankung der Kartoffel, befallen sind. Diese Pflanzenkrankheit bot sich zur Untersuchung Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie, in Halle an der Saale, um Professorin Sabine Rosahl,an, weil sie eine der bedeutendsten unserer Zeit ist. Ihr Erreger, Phytophthora infestans, hat bereits Mitte des 19. Jahrhunderts für große Hungersnöte in Europa gesorgt und verursacht noch heute weltweite Ernteausfälle von etwa 20 Prozent im Jahr. Um die Entstehung einer Krankheit bei Pflanzen besser zu verhindern, fragten sich die Wissenschaftler schon lange (20 Dekaden), warum der Erreger seine Wirtspflanze, die Kartoffel, krank macht, und zusätzlich, warum die meisten anderen Pflanzen gesund bleiben.
Pflanzenkrankheiten besser verstehen lernen
Die Bereitschaft von Pflanzen krank zu werden wurde an der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana untersucht. Diese Pflanze wurde als Forschungsobjekt gewählt, weil in ihr in den vergangenen Jahren das mutmaßliche Transportprotein (PEN3) gefunden wurde. Bisher konnte man zu diesem Protein jedoch noch keine Abwehr-relevante Substanz identifizieren, die von ihm tatsächlich aus der Zelle transportiert wird. In der aktuellen Studie ist dies nun gelungen. In Kooperation mit Wissenschaftlern aus der Schweiz konnte gezeigt werden, dass die neu entdeckten Indol-Verbindungen vom PEN3-Transporter aus den Zellen heraus auf die Blattoberflächen befördert werden.
Aus der Modellpflanze konnten die Hallenser Forscher um Professor Sabine Rosahl zwei neue Substanzen isolieren, die eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Phytophthora spielen. Eine der neu entdeckten Indol-Verbindungen wirkt dabei nicht direkt auf den Erreger, sondern sorgt vermutlich als Signalstoff für die Verstärkung der pflanzlichen Abwehrreaktion. Der Befund wurde in der Fachzeitschrift Journal of Biological Chemistry veröffentlicht.
Um gesund zu bleiben, müssen Pflanzen potenzielle Krankheitserreger erkennen können. Dies geschieht durch Rezeptoren in den Zellmembranen der Pflanzen. Diese sind darauf spezialisiert, das pilzliche Chitin oder das bakterielle Flagellin an sich zu binden. Dadurch aktiviert sich der Rezeptor und leitet die Warnung „Achtung Feind“ ins Innere der Zelle weiter. Danach erfolgt die Aktivierung von verschiedenen Abwehrgenen, die die Erstellung von Biosynthese-Enzymen veranlassen. Diese Enzyme produzieren eine Vielzahl an antimikrobiellen Substanzen, die entweder den Erreger abtöten oder durch lokale Zellwandverstärkung verhindern, dass weitere Keime in die Zellen eindringen können. Wie es Phytophthora im Laufe der Evolution gelang, die Kartoffel zu seiner Wirtspflanze zu machen, bleibt eine spannende Frage auf diesem Gebiet.
Was Wissenschaftler zum Krankheitserreger Phytophthora infestans sagen
Phytophthora infestans, der Erreger der Kraut- und Knollenfäule, gehört zu den Vertretern einer Übergangsform zwischen Pilzen und Braunalgen. Er verbreitet sich über Sporen, die in das Blattgewebe eindringen und von dort aus die gesamte Pflanze besiedeln. Werden die Sporen bei Regen in den Boden gespült, befallen sie auch die Knollen, die sich braun verfärben und ungenießbar werden. Die Krankheit überträgt sich schnell und kann in wenigen Tagen ganze Felder infizieren. Bisher bekämpft man Phytophthora mäßig erfolgreich mit Fungiziden. Da der Erreger sehr veränderungsfreudig ist, entwickelt er jedoch schnell Unempfindlichkeit gegen die eingesetzten Pflanzenschutzmittel.
Pflanzen besitzen einen eigenen Schutz
Pflanzen sind wie alle Lebewesen permanent von möglichen Krankheitserregern umgeben. Dennoch werden sie selten krank. Denn ähnlich wie Menschen und Tiere verfügen sie über eine Art Basis-Immunität, die eine Besiedlung durch mikrobielle Keime verhindert. Durch vielfache Abwehrreaktionen gelingt es den meisten Pflanzen, nicht zur Wirtspflanze der Erreger zu werden, sondern vielmehr Nichtwirt zu bleiben und mit ihrer Nichtwirtsresistenz ein breites Spektrum an möglichen Krankheitserregern in Schach zu halten.
Diese Untersuchungen fanden statt
Welche Gene, welche Proteine und Enzyme an der Nichtwirtsresistenz der Ackerschmalwand beteiligt sind, wurde von den Hallenser Wissenschaftlern intensiv untersucht. In der Gruppe von Professor Rosahl interessierte man sich darüber hinaus für die verschiedenen Abwehrsubstanzen, die Erreger, wie Phytophthora, bekämpfen. Um das herauszufinden, brachte man auf die Blätter von Arabidopsispflanzen kleine Tröpfchen einer Phytophthora-Sporenlösung auf. Parallel dazu träufelte man auf die Blätter von weiteren Arabidopsis-Pflanzen Wassertröpfchen. Nach 24 Stunden wurden die Tröpfchen untersucht. Das Ergebnis zeigte klar: Die mit Phytophthora infizierten Pflanzen wiesen einen stark aktivierten Stoffwechsel, der sie widerstandsfähig gegen Krankheiten machte, auf. „Der Anstieg von Calciumionen in den Zellen ist ein frühes Signal der Abwehr und signalisiert eine erhöhte Alarmbereitschaft bei den Pflanzen“, erklärt Sabine Rosahl. „Er begünstigt die Verständigung der Signalproteine untereinander. „Wir vermuten daher“, sagt Professor Rosahl, dass diese neu entdeckte Verbindung eine Substanz ist, die die natürliche Immunabwehr der Pflanzen verstärkt“. Wie genau das passiert, wir in Zukunft geklärt.
Vom Modellprojekt zur Praxis
Die Erkenntnisse die bei der Forschung an den Modellpflanzen gewonnen wurde, vergrößerte das Wissen um die Krankheit in der Kulturpflanze Kartoffel. Auch diese produziert nach Befall mit Phytophthora antimikrobielle Substanzen, die normalerweise aktiv auf die Blattoberfläche transportiert werden. Der Transport von einigen keimabtötenden Stoffen scheint aber bei der Kartoffel gestört zu sein. Das konnten die Hallenser Pflanzenforscher vor einigen Jahren zumindest für eine konkrete Substanz, das Coumaroylagmatin, nachweisen. Die Hydroxyzimtsäure-Verbindung reicherte sich nach Infektion mit dem Erreger nur innerhalb der Kartoffelblätter, nicht aber auf deren Außenseite an. Durch das Einbringen eines intakten Transportproteins gelang es dem Team um Sabine Rosahl, die Immunreaktion der Kartoffelpflanzen auf Phytophthora stark zu erhöhen. Dennoch konnte die Ausprägung der Kraut- und Knollenfäule damit nicht vollständig eingedämmt werden. Es muss, so schlussfolgern die Wissenschaftler, weitere Schwachstellen im Immunsystem der Kartoffel geben.
Monika Hermeling