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Wenn man einen Obstbaum pflanzt, muss man schon einige Zeit ins Land gehen lassen, bis dieser uns mit seinen ersten Früchten erfreut. Viele Gemüsearten werden im Frühjahr gesät oder gepflanzt und können erst im Herbst geerntet werden. Sie haben – wie es so schön heißt – eine lange Kulturdauer. Von den Radieschen wissen schon die Kinder, dass sie oft schon drei bis vier Tage nach der Aussaat aus dem Boden lugen und einige Wochen später bereits geerntet werden können. Sie sind also was für (ungeduldige) Kinder und für Gartenliebhaber, die es eilig haben.
Daneben gibt es aber auch eine Gemüseart, die zwar nicht so bekannt ist, aber ebenfalls zu den Sprintern auf dem Gemüsebeet zählt: das Stielmus. Es gehört wie die Radieschen zu den Kohlgewächsen. Vom Grunde her kann man die Samen der Speiserüben (z.B. Mairüben) verwenden, die aber dicht ausgesät werden sollten, damit sich die Rüben nicht so ausbilden können; es sind ja die Stiele und Blätter, die als Stielmus geerntet werden – daher auch die Bezeichnung „Rübstiel“, wie es in manchen Gegenden genannt wird. Speziell dafür ist die Sorte ‚Namenia‘ auf dem Markt: sie bildet keine Rüben aus, sondern konzentriert sich auf die Produktion von Stiel- und Blattmasse.
Ein weiterer Vorteil dieses Gemüses: das Saatgut findet man in den sehr günstigen Preiskategorien. Mitte bis Ende April ist der optimale Aussaatzeitraum. Da Stielmus auf die Pflanzenmasse setzt, ist ein gut mit Stickstoff versorgter Gartenboden das Richtige. Wenn jetzt viele beim Stichwort „Stickstoff“ an die beliebten Hornspäne denken, ist das in diesem Fall leider nicht so angebracht, da Hornspäne zwar viel Stickstoff enthalten, aber die Bodenmikroben durch die grobe Struktur der Späne eine recht lange Zeit benötigen, um diesen Nährstoff den Pflanzen zur Verfügung stellen zu können. Schneller wirken da gemahlene Hornspäne, das so genannte Hornmehl, das bereits nach kurzer Zeit seine Düngewirkung entfaltet; genau das, was das Stielmus fordert.
Wenn das Wetter mitmacht und der Gärtner seine Pflanzen gut hegt und pflegt, kann er bereits nach sechs bis acht Wochen mit dem Erntemesser zum Stielmusbeet gehen. Viel länger sollte er auch nicht mit der Ernte warten, da die Stiele mit der Zeit beginnen, faserig zu werden. Die Erntemenge ist recht gut, da nicht nur die Blätter, die beim Kochen arg zusammenfallen, sondern auch die bis nahe am Boden abgeschnittenen Stiele verwendet werden. Nach der Ernte sollte das Gemüse rasch verarbeitet werden, da die zarten Blätter schon nach kurzer Zeit zum Verwelken und dem damit einhergehenden Qualitätsverlust neigen. Gewöhnlich schneiden wir das Erntegut in rund 4 cm lange Stücke und kochen es anschließend. Stielmus gehört zwar zu den so genannten Senfkohlarten, aber die oftmals beschriebene Schärfe konnten wir nicht feststellen.
Wir bereiten das Stielmus auf verschiedene Weise zu: mal einfach mit Butter oder Sahne und Gewürzen verfeinert, mal rheinisch: Stielmus und Kartoffeln miteinander gekocht oder schließlich als Füllung einer Quiche. Den gekochten aber noch nicht verzehrten Teil der Ernte frieren wir portionsweise ein. Leider findet man in Kochbüchern selten Informationen zu diesem Kohlgemüse; zum Glück gibt es aber das Internet mit seinen mannigfaltigen Fundstellen, an denen sicher jeder etwas in seiner Geschmacksrichtung finden wird.
Manfred Kotters