|
Schon oft wurde darüber diskutiert, ob Nachbarn überhängende Äste und Zweige von Gehölzen ohne Genehmigung des Baumbesitzers abschneiden dürfen. Vielerlei Ansichten wurden bisher vertreten, doch nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein interessantes Urteil gesprochen und bestätigt, dass das im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Recht zur Selbsthilfe in einem derartigen Fall (AzV ZR 234/19) möglich ist. Grund für dieses Urteil ist eine etwa 40 Jahre alte Schwarzkiefer auf einem Grundstück in Berlin, deren breite Krone seit mindestens 2 Jahrzehnten über einige Meter in Nachbars Garten ragt. Den Nachbar selbst stören nicht nur die Äste und Zweige, sondern auch die abfallenden Zapfen und Nadeln, die er nach seiner eigenen Darstellung in monatlichem Abstand entsorgen muss. Vergeblich hatte er die Eigentümer der Kiefer zum Rückschnitt aufgefordert, die jedoch keine Schnittmaßnahmen ausführten. So hatte er nun vor 4 Jahren selbst zur Astschere gegriffen und die überhängenden Äste abgeschnitten. Diese Schnittmaßnahmen wiederum fanden die Eigentümer der Kiefer ungerecht und fürchteten um einen sicheren Stand des Baumes. So wurde Klage am Amtsgericht Pankow/Weißensee und am Berliner Landgericht erhoben und von beiden Gerichten dem Kläger nicht Recht gegeben.
So zog er vor den BGH in Karlsruhe, das höchste deutsche Zivilgericht, das das Berufungsurteil aufhob und zwar deshalb, weil es wegen einer anderen BGH-Entscheidung inzwischen überholt ist. Das höchste deutsche Zivilgericht hatte nämlich in einem zwei Jahre früher ausgesprochenen Urteil entschieden, dass bei eine Douglasie in Krefeld Nachbarn die herüberragenden Zweige „abschneiden und behalten“ dürfen, wenn sie die Benutzung eines Grundstücks beeinträchtigen. Eine Frage wurde dabei jedoch nicht in dieses Urteil einbezogen und zwar, ob das noch gilt, wenn der Baum selbst durch den Rückschnitt in der Entwicklung bedroht ist. So entschieden sich in diesem Fall die Karlsruher Richter die Sache an das Landgericht zurück zuweisen. Dort sollte nun entschieden werden, ob in der Tat der Nachbar von Laub, Nadeln, Zapfen und Schatten beeinträchtigt ist. In diesem Fall dürfen die Überhänge abgeschnitten werden, es sei denn, dass örtliche Baumschutz-Satzungen dem entgegenstehen. Diese Fragen sollen noch in diesem Fall vom Berufungsgericht zu prüfen und zu entscheiden sein. Zusammenhängt diese Entscheidung offensichtlich mit einer Berliner Baumschutzverordnung. Sie schützt alle Waldkiefern, die 1,30 m über dem Boden einen Stammumfang von mindestens 80 cm haben. Tatsache ist aber, dass von Schwarzkiefern dort von dieser Verordnung nichts steht. Auch wurde bei der BHG-Verhandlung nicht darüber diskutiert, ob der Streit-Baum die nötigen Maße hat. Natürlich ist diese Schwarzkiefer auch zu nahe an der Grundstücksgrenze angepflanzt worden. Sie hätte mit einem größeren Grenzabstand in das Grundstück der Besitzer eingepflanzt werden müssen. Einen Anspruch auf die gesamte Beseitigung des Baumes besteht heute nicht mehr, da eine solche laut Berliner Nachbarrechtsgesetz nur in den ersten 5 Jahren möglich sei.
Fazit des BGH-Urteils: Selbst die Vorsitzende BGH-Richterin Christina Stresemann brachte persönlich zum Ausdruck, dass das BGH-Urteil wohl hart klinge. Da aber der Eigentümer eines Baumes dafür sorgen müsse, dass Äste nicht über das eigene Grundstück wachsen, sei es richtig entschieden worden. Der Eigentümer eines Baumes ist im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung seines Grundstücks gehalten, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten. Tatsache sei, dass der Nachbar selbst zur Schere greifen dürfte, wenn der Eigentümer des Baumes den Rückschnitt versäumt.
So ist also durch dieses BGH-Urteil bestätigt, dass ein Rückschnitt von Ästen und Zweigen, die in das Nachbargrundstück hineinragen, vom dortigen Besitzer entfernt werden dürfen. So ist es in Zukunft von großer Bedeutung, dass dieses Urteil des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe von Grundstücksbesitzern beachtet und auch entsprechend den Vorschriften eingehalten werden.
Edgar Gugenhan