Die Wasserglasmethode

Stecklingen bei der Wurzelbildung und Samen beim Keimen zuschauen.  

Ein Verfahren, das etwas aus der Mode gekommen zu sein scheint, ist die Bewurzelung von Stecklingen und Samen direkt im Wasser. Das Verfahren hat gewisse Vorteile, denn es macht einen sonst im Verborgenen stattfindenden Prozess, die Wurzelbildung, sichtbar.  

Die ersten Erfahrungen mit dieser Art der Vermehrung machte ich mit dem Zypergras, Cyperus alternifolius. Hier werden die schirmförmigen Triebe einfach umgekehrt ins Wasser gestellt. Zuvor werden die Blätter etwas eingekürzt. An den Blattbasen erscheinen nach einiger Zeit Wurzeln und neue Triebe. Bei älteren Pflanzen können gelegentlich ohne Wasserkontakt schon neue Triebe wachsen. Beim Zypergras handelt es sich um eine Wasserpflanze, die sich durch diese Art der Vermehrung ausbreitet. Was diese Pflanze interessant macht, ist die Tatsache, dass sie gut mit nassen Füssen oder besser Wurzeln zurechtkommt. Andere Pflanzen würden hier mit Fäulnis reagieren. Wer auf reichlich Vermehrungsmaterial zurückgreifen kann, könnte sogar einen Kulturversuch in einem alten Aquarium und in feinem Kies wagen. Die Entwicklung der Pflanzen bei diesem System ist enorm, die Triebe können bei guter Nährstoffversorgung leicht bis 2 m hoch werden. Die Pflanze geht auch entsprechend in die Breite und kann das Aquarium in kurzer Zeit ausfüllen. Um die Pflanze ist es in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Wer in südlichen Gegenden unterwegs ist, kann sich von verwilderten Pflanzen einige Stiele entnehmen und mitbringen. Die interessante Vermehrung und die Optik machen die Pflanze im Zimmer zu regelrechten Hinguckern.  

Ein regelrechtes Muss für das Wasserglas sind die Samen von Avocado, Persea americana, und von Mango, Mangifera indica. Beide Samen werden mit Hilfe von Zahnstochern oder Streichhölzern im Wasserglas fixiert. Bei Ersterer kommt das breite Ende zu etwa zwei Dritteln, bei Mango, kommt die schmale Seite etwa zur Hälfte ins Wasser. Hier ist an einem Extrem gelegentlich schon ein Wurzelansatz erkennbar.   

Auch bei kleineren Samen, wie zum Beispiel jene der Japanischen Wollmispel, Eriobotrya japonica, und solchen des Echten Lorbeers, Laurus nobilis, wurde schon eine Keimung im Wasserglas mit Erfolg durchgeführt. Bei kleineren Samen muss mit entsprechend kleineren Wassergefäßen ge­arbeitet werden.  

Eine erfolgreiche Keimung im Wasserglas wurde auch schon mit den Samen des Palisanderbaumes, Jacaranda mimosifolia, realisiert. Die Samen werden einfach auf die Wasseroberfläche gestreut und das Gefäß hell aufgestellt.  

Hinsichtlich Stecklingen im Wasserglas sind einige Philodendron-Arten und die Efeutute, Epipremnum, beliebte und lohnende Versuchsobjekte.  

Doch nicht nur Zierpflanzen eignen sich für diese Art der Vermehrung, auch Gemüsepflanzen lassen sich im Wasserglas gut zur Wurzelbildung anregen.   

Sehr lohnenswert kann die Bewurzelung von Geiztrieben bei Tomaten sein. Zum einen werden diese Triebe je nach Sortengruppe sehr reichlich gebildet, und zum anderen kann dadurch die Erntesaison erheblich ausgedehnt werden. Gelegentlich werden diesen Geiztrieben schlechte Ertragseigenschaften oder fehlende Fruchtgröße nachgesagt, doch dies konnte ich bisher noch nicht beobachten. Die Geiztriebe können, sobald sie an der Basis etwa Bleistiftstärke erreicht haben, entweder ausgebrochen oder mit einem scharfen Messer geschnitten werden. Die unteren Blätter werden entfernt und der Trieb ins Wasser gestellt. Das Gefäß wird hell aufgestellt, direkte Sonne sollte vermieden werden. Die Bewurzelung nimmt wenig Zeit in Anspruch.    

Die Überführung der bewurzelten Sämlinge oder Stecklinge ins Substrat sollte nicht zu lange hinausgezögert werden, denn in der Regel tritt eine leichte Entwicklungsverzögerung ein. Die neuen Pflanzen brauchen eine gewisse Zeit, bis sie sich an die neue Umgebung gewöhnt haben.   

Im Wasser halten die Stecklinge länger frisch, so dass jederzeit auch die Bewurzelung unter gespannter Luft in Substrat erfolgen kann.    

Die Methode bietet viel Spielraum zum Experimentieren. Und was nicht in Wasser wurzelt kann, solange es frisch ist, einfach in Substrat überführt werden.                             

Thomas Bay   

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