Sie sind süß und machen sauer

Ja, es stimmt: wenn sie so dasitzen und vor sich hin mümmeln, könnte man sie schon knuddeln; insbesondere, wenn sie noch im kindlichen oder jugendlichen Alter sind – die Kaninchen. Doch sind sie nun mal (in der freien Wildbahn) keine Schmusetiere, sondern lieben ihre Freiheit und können zudem einiges an Schäden anrichten. Außerdem vermehren sie sich wie die sprichwörtlichen Kaninchen. Wenn eine hungrige Karnickel-Bande im Gartenbeet oder auf dem Friedhof ihre Mahlzeit einnimmt (die augenscheinlich 24 Stunden dauert) bleiben oft nur noch blattlose Stängel oder nicht mal diese zurück. Sie verschmähen auch nicht die Rinde von manchen Bäumen und Sträuchern, was diesen im schlimmsten Fall das Leben kosten kann. Das kann den Pflanzenheger und -pfleger ganz schön sauer machen!     

Mein Garten ist kaninchensicher – das ist gut und zugleich auch schlecht. Wenn die Tierchen nämlich noch sehr jung und klein sind, gelingt es ihnen hin und wieder, sich unter das Gartentor hindurchzuzwängen Warum sie das machen? Keine Ahnung! Nun geschieht zweierlei: zum einen fressen sie alles ab, was sie lecker finden und dadurch ergibt sich zum anderen, dass sie an Umfang zunehmen und somit nicht mehr unter das Gartentor passen, um zurück in die „Freiheit“ zu gelangen. Nun ist mein Garten einigermaßen groß und durch diverse Sträucher und Großpflanzen recht unübersichtlich; zudem sind die eingedrungenen Kaninchen durch ihre Fellfarbe gut getarnt. Da die Fläche wie gesagt auch noch kaninchensicher eingezäunt ist, sind sie quasi gezwungen, standorttreu zu bleiben; somit sind sie das gesamte Gartenjahr über meine fast unsichtbaren aber ungeliebten Gartenbegleiter. Zum Glück haben diejenigen Beete, auf denen Gemüse steht, das mit feinmaschigen Netzen abgedeckt ist, dadurch nicht nur einen Insekten-, sondern auch einen Kaninchenschutz. Alle anderen Gemüsebeete müssen mit Maschendraht geschützt werden. Aber wehe, wenn ich nicht darauf geachtet habe, dass der Draht überall (!) stramm bis zum Boden reicht; dann dauert es höchstens eine Nacht, bis solch ein Schlupfloch gefunden wird und die Bohnen (wie in diesem Jahr) kurze Zeit später zum größten Teil ohne Blätter und Früchte dastehen.      

Seit einigen Zeit kommt es immer wieder vor, dass es an unserer Haustür klingelt und ein freundlicher Radfahrer meint: „Da ist Ihnen wohl ein Kaninchen ausgebüxt. Ich habe da eines in Ihrem Vorgarten gesehen.“ Da weder wir noch unsere Nachbarn Stallkaninchen haben, hat der freundliche Herr aber trotzdem irgendwie recht; denn seit einigen Jahren hoppeln hier in der Gegend weiß-braune Kaninchen herum. Aus welchem Stall sie jedoch damals entwichen sind, das weiß eigentlich keiner. Dass die Vermehrungsrate bei diesen hell-felligen Kaninchen ununterbrochen groß ist, können wir daran sehen, dass immer wieder neben den größeren auch neue kleine, weiß-braune Kaninchen im Umkreis von 500 Metern ihr Unwesen treiben. Obwohl sie durch ihre Fellfarbe nun wirklich keine Supertarnung, sondern schon fast eine Signalfarbe haben, existieren sie seit langer Zeit, ohne dass Katzen, Füchse oder Greife ihren Bestand auf Null setzen können. Vielleicht passt die weiße Farbe ja nicht in ihr Beuteschema und sie werden gar nicht als potentielle Nahrung wahrgenommen. Ebenso scheint die an unserem Haus vorbeiführende Straße keine Todesstrecke für die Vierbeiner zu sein. Wie auch immer – die halb-wilden Kaninchen haben einen ebensolchen Appetit wie ihre braunfelligen Artgenossen, allerdings werden sie im Beet immer recht schnell erkannt und weggescheucht. Da sie jedoch nicht bewegungsarm in einem kleinen Stall leben, sondern tagtäglich im Überlebenskampf stehen, sind sie zudem scheu und flink. Wie flink sie sind, habe ich schnell bemerkt, als eines sich in gewohnter Manier in meinen Garten geschlichen hatte. Durch seine auffällige Farbe fiel es mir natürlich rasch ins Auge. Aber es durch das weit geöffnete Gartentor zu jagen, klappte auch nach diversen Versuchen nicht – wie gesagt: sie sind scheu, flink und leider auch schlau.     

Zum Schluss noch ein Wort an die kleinen, hoppelnden Säugetiere: wenn euch auch unser Gemüse und unsere Blumen schmecken, habt dabei immer im Hinterkopf: uns Menschen schmecken Kaninchen!            

Manfred Kotters

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