(K)ein Ort des Vergessens

Eigentlich – ja eigentlich soll ein Garten der Ort des Vergessens sein: Probleme mit Krankheiten, dem Chef, den Verwandten oder der Bank sollen durch die intensive Beschäftigung mit planen, säen, gießen, hacken und ernten weit, weit in den Hintergrund gedrängt werden.    

Aber: der Garten darf ebenso nicht der Ort des Vergessens sein, da das gravierende Folgen haben kann. Wie das? Es ist wie bei allen Aufgaben, die man übernommen hat: stets rechtzeitig alles erledigen, um ein positives Resultat zu erzielen. Durch unser Hobby haben wir schließlich die Aufgabe übernommen, grüne Lebewesen zu betreuen. So wie Hund und Katze Wasser und Fressen bekommen müssen, so verlangen auch Möhren, Johannisbeeren, Dahlien und Co. unsere Aufmerksamkeit, da sie ansonsten Schaden nehmen könnten – und zugleich die Freude am Gärtnern getrübt werden könnte.    

Da der Winter uns alljährlich eine Garten-Denkpause verordnet, muss man im Frühjahr erst mal wieder in die Garten-Fahrspur kommen. Was in dieser Übergangszeit gerne vergessen wird, ist das frühzeitige Besorgen von Sämereien oder Aussaat- und Pflanzerde oder sogar die Aussaat selbst. Wenn wir zum Beispiel Jungpflanzen von Paprika und Tomaten selbst ziehen wollen, um eine größere Sortenvielfalt zu haben, dürfen wir die Aussaattermine (ca. Mitte Februar bzw. Mitte März) nicht versäumen. Je später wir also die Samen in die Erde bringen, desto weiter verschiebt sich bei verspäteter Anzucht die erste Ernte in den Herbst hinein, da die Kulturzeiten zwischen Aussaat und Erntebeginn recht lang sind. Dadurch vermindert sich die Ernte unter Umständen erheblich. Haben wir tatsächlich termingerecht ausgesät, muss zudem jeden Tag kontrolliert werden, ob die kleinen Pflänzchen schon aus der Erde lugen; denn jetzt benötigen sie dringend Licht. Zwei bis drei Tage ohne Aufsicht auf der warmen und zumeist zu dunklen Fensterbank reichen oft schon, um lange, lichthungrige und instabile Jungpflanzen in den Aussaatschalen vorzufinden, die oftmals nur schwerlich weiter zu kultivieren sind.    

Wenn meine Tomaten- und Paprikajungpflanzen mehr Licht benötigen, kommen sie ins Gewächshaus. Da es aber unbeheizt ist, darf ich auf keinen Fall vergessen, sie bei Ankündigung von zu niedrigen Temperaturen abends ins Haus zu holen. Einmal nicht dran gedacht, bedeutet 100% Ausfall!    

Doch nicht nur bei Anzuchtgemüse, auch bei Direktsaat in den Gartenboden darf man nicht zu spät dran sein. Aus diesem Grunde hängt bei mir ein Aussaatplan für alle zu säenden Blumen und Gemüse. Als ich in einem Jahr den Termin einfach übersehen hatte und die Pastinaken erst im Mai gesät habe, konnte von Ernteerfolg keine Rede sein. Obwohl sie bis in den späten November hinein Zeit hatten, an Umfang zuzulegen, zog ich lediglich weiße „Möhrchen“ aus dem Boden.    

Ähnlich erging es mir einmal mit dem Feldsalat, den ich erfahrungsgemäß stets Mitte bis Ende August aussäe. Zu dieser Zeit sind die Gedanken allerdings eher beim Gießen oder bei der Fahrroute zum Urlaubsziel und nicht beim Herumlaufen mit einer Samentüte. Meine verspätete Aussaat Ende September hatte zur Folge, dass ich sehr viele Feldsalatpflanzen ernten musste, um überhaupt eine kleine Schüssel voll zu bekommen, obwohl ich ihm bis Ende Februar Zeit zum Wachsen gegeben hatte. Seitdem nutze ich die moderne Technik und gebe eine Erinnerung in mein Handy ein, da ich im August ehrlicherweise nicht mehr auf den ausgedruckten Aussaatplan achte.   

Auch den richtigen Erntezeitpunkt sollte man nicht verpassen. Jeder kennt das sicherlich von seinen Zucchini: ein paar Tage nicht geerntet oder nicht unter einem großen Blatt nachgesehen und schon hat man Riesenfrüchte, die in der Küche kaum noch zu bewältigen sind. Ähnlich ist es mit den Gurken. Ich baue immer Essiggurken an, da sie sowohl zum Einlegen als auch für einen Gurkensalat geeignet sind, wenn ich ein oder zwei größer werden lasse. Wenn ich dann allerdings vergesse, die dickeren Früchte zu ernten, setzt die Pflanze an der entsprechenden Ranke erst verzögert neue Gurken an. Wesentlich kleiner ist dagegen das Erntezeitfenster beim Obst: Gänzlich unbrauchbar sind beispielsweise matschige Pflaumen oder Erdbeeren, die nicht rechtzeitig geerntet wurden – und das ist nun wirklich äußerst schade.   

In meinem Gewächshaus muss ich mich im Sommer immer zwingen, nicht nur den Reifegrad der Tomaten zu kontrollieren, sondern auch die unermüdlich gebildeten Seitentriebe („Geiztriebe“) zu entfernen, um ein Stängel/Blattchaos zu verhindern, das mir die Ernte erschwert und den reifenden Tomaten das benötigte Licht raubt. Diese unerwünschten Triebe wachsen außerdem nicht nur in den Blattachseln, sondern ebenso auf den Blättern und am Ende eines Fruchtstandes – da kann ich leicht etwas übersehen. Also darf ich nicht vergessen, mir stets die gesamte Pflanze anzuschauen.  

Was man schon mal verpasst oder einfach nicht weiß, ist das Ende der Düngesaison für Sträucher. Wenn nämlich noch Volldünger nach der Jahresmitte (Juli) gegeben wird, nutzen die Sträucher ihn oftmals, um neue Triebe zu bilden, die allerdings nur noch selten bis zum Winter verholzen und somit bei starken Frösten Schaden nehmen können.   

Gerade beim Thema „Vergessen“ gibt’s im Garten noch unendlich viele Bereiche; das fängt beim Unkraut an und hört beim Gießen und der Gerätepflege immer noch nicht auf. Andererseits muss im Garten auch nicht alles 100%ig klappen. Schließlich soll der Garten ja ein Ort des Vergessens sein – aber nicht des gänzlichen Vergessens!  

Manfred Kotters   

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