Blüten im Sand

Pancratium maritimum – Eine spätsommerblühende Zwiebelpflanze 

Wer das Glück hat, den Sommer in der Mittelmeerregion zu verbringen und dabei Ausschau nach noch weitgehend unberührten Stränden hält, hat die Möglichkeit einer außergewöhnlichen Zwiebelpflanze zu begegnen, der Dünen-Trichternarzisse oder Pankrazlilie, Pancratium maritimum. Und selbst an stark frequentierten Stränden kann es vorkommen, dass einfach Blüten aus dem Sand wachsen.   

Verbreitung und Botanik   

Die Gattung Pancratium gehört zur Familie der Amaryllisgewächse (Amaryllidaceae) und umfasst 20 Arten, die im gesamten Mittelmeergebiet, auf den Kanarischen Inseln und in tropischen Regionen des westlichen Afrika und Ostasiens zu Hause sind. Es sind Zwiebelpflanzen mit zum Teil recht großen Zwiebeln. P. maritimum ist die weitest verbreitete Art. Ihr Areal erstreckt sich nicht nur über den gesamten Mittelmeerraum, auch an der Atlantikküste von Portugal bis in die französische Bretagne kann man die Pflanze finden. Nach Osten reicht ihre geographische Ausdehnung bis ans ­Schwarze Meer. In Kalifornien, den Bermuda-Inseln und auf den Azoren ist sie eingebürgert. Wie einige volkstümliche Bezeichnungen – Sandnarzisse oder Sandlilie – zum Ausdruck bringen, wächst die Pflanze an sandigen Stränden und auf sandigen Dünen in Meeresnähe. Sie soll sich selten mehr als 100 Meter von der Küstenlinie entfernen. Durch die windbedingte Bewegung kommt es häufig vor, dass die Pflanzen völlig von Sand bedeckt sind und nur zur Blütezeit sichtbar werden. Im Herbst werden durch stärkere Wasserbewegungen die zum Teil tief in der Erde ruhenden Zwiebeln freigewaschen. Die Zwiebeln sind von länglicher Form und etwa 5–7 cm breit. Die Blätter sind wintergrün und zuweilen etwas in der Länge gedreht, sie werden etwa 50–75 cm lang, doch nur 1 bis 2 cm breit. Sie trocknen in der Regel im Sommer ein. Die großen, weißen und besonders nachts duftenden Blüten stehen auf einem kräftigen Blütenstiel. Die Blütezeit erstreckt sich von Juni bis September. Leider ist die Dauer der Einzelblüten nur kurz. Interessant und in diesem Zusammenhang erwähnenswert sind die verschiedenen Bestäubungsmechanismen, die die Pankraz­lilie in einzelnen Regionen entwickelt hat. Nicht nur Schmetterlinge verschiedener Familien und Arten werden als Bestäuber angelockt, von Mallorca wird diese Tätigkeit auch einer Eidechsen-Art, Podarcis lilfordi, zugeschrieben. Hinzu kommt, dass die Blüten selbststeril sind, und auf Fremdbestäubung angewiesen sind. Aus den Blüten entwickeln sich gefächerte Kapselfrüchte, die zahlreiche Samen enthalten; diese erinnern farblich und von der Form her an kleine Kohlestücke. Dies ist aber nur die äußere Hülle.  

Etwas Geschichte und Bedeutung als Heilpflanze   

Die Pankrazlilie hat eine lange Geschichte, die Bezeichnung Pancratium oder Pancratio kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „alle Kraft“ (hier drängt sich der Vergleich mit „Pandocrator“ oder „Pandokrator“, dem „Allmächtigen“ auf). Die Bezeichnung geht vermutlich auf die tonischen Eigenschaften der Pflanze zurück, die schon von Dioskorides und Theophrastus beschrieben wurden. Denkbar wäre aber auch ein Bezug auf die Resistenz der Pflanzen um die langen, heißen und trockenen Sommer an Sandstränden zu überstehen. Es ist aber nicht gewiss, ob es sich bei diesem Pancratio auch wirklich um Pancratium oder vielleicht um Urginea gehandelt hat, doch Linné wandte diese Bezeichnung bei der Namensbegung der Gattung an. Die genannten Gattungen werden in ähnlicher Weise verwendet, wobei Urginea eine größere Wirksamkeit zugeschrieben wird. In jüngster Zeit wurden in verschiedenen Vertretern der Amaryllisgewächse, darunter auch Pancratium maritimum und weiteren Pancratium-Arten, Stoffe aus den Blüten isoliert, die bei der Behandlung von Alzheimer interessant sein könnten. In der Hautpflege haben sich Präparate aus Pancratium bei der Behandlung von Pigmentflecken auf der Haut als wirksam erwiesen. Ob die genannten Einsatzbereiche zukünftig eine stärkere Entnahme von Pflanzen vom Naturstandort bedeuten, muss im Hinblick auf regionale Schutzbestimmungen kritisch bewertet werden.    

Anzucht und Pflege   

Die Anzucht erfolgt aus den reichlich gebildeten Samen oder durch Entnehmen der Tochterzwiebeln. Die Samen keimen relativ leicht. Sie sind schwimmfähig – wobei die schwarze Samenhülle als eine Art Schwimmweste fungiert – und haben so zur Verbreitung der Art beigetragen. Auch das Salzwasser beeinträchtigt die Samen nicht negativ, ist aber auch nicht für die Keimung erforderlich. Auch eine gewisse Bedeckung der Samen wird vertragen, allerdings sollte diese nur wenige Zentimeter stark sein. Vor der Aussaat sollte die dunkle Samenhülle entfernt und die Samen vorgequellt werden. Dies erleichtert und beschleunigt die Keimung wesentlich, denn noch am selben Tag werden an den Samen die Vegetationspunkte sichtbar. Als Anzuchtsubstrat lässt sich gewaschener Sand oder ein nährstoffarmes Anzuchtsubstrat mit hohem Sand­anteil verwenden. Sogenannte Rosen- oder Clematistöpfe, die in der Regel tiefer als breit sind, sind als Anzuchtgefäße vorzuziehen. An Sämlingen werden auch schnell die kleinen Ansätze der Zwiebeln sichtbar. Wer aus Saatgut vermehrt, sollte etwas Geduld mitbringen, denn die Sämlinge blühen frühestens nach drei Jahren. Für die Weiterkultur ist auf die bei der Anzucht erwähnte Substratmischung zurückzugreifen. Die Pflanzen kommen auch im Topf und Kübel zur Blüte, dem interessierten Pflanzenfreund kann die Pflanze der ungewöhnlichen Blütezeit und der Größe der Blüten wegen empfohlen werden.    

Krankheiten und Schädlinge   

Abgesehen von Schnecken, die besonders bei Sämlingen zu Ausfällen führen können, sind bei Pancratium kaum Schädlinge bekannt. Auf Schnecken ist besonders bei Kultur im Topf zu achten, am heimatlichen Standort in Meeresnähe ist mit diesen Schädlingen kaum zu rechnen. Dort werden die Blätter von den Larven eines nachtaktiven Schmetterlings, Brithis crini, geschädigt. Da Pancratium für diese Schmetterlingsart oftmals die einzige Futterpflanze darstellt, wird auf Bekämpfungs­maßnahmen in der Regel verzichtet.   

Schutzstatus  

Die Planze steht in einigen Regionen Frank­reichs, in Russland und Mallorca unter Schutz.   
Thomas Bay   

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