Die unbekannte Haselwurz

Manche Pflanzen machen sich so unscheinbar, dass man sie glatt übersieht. So die Haselwurz. Wir lernen sie kennen. Das gelingt mit Hilfe einer alten Zeichnung aus Baenitz, Lehrbuch der Botanik (1878), besser, als mit einem Foto. Hier ist sie, die Haselwurz: die ganze Pflanze, Blüte, Blüte ohne Blütenhülle.    

Die Haselwurz ist ein durch und durch heimisches Gewächs, in Europa von Skandinavien bis Griechenland zu Hause, wildwachsend in Buchenwäldern, zusammen mit allerlei Kräutern an beschattetem Platz in nahrhaftem, kalkhaltigem, frischem Boden. Sie wächst ausdauernd und wintergrün, sehr gern in mulmigem Belag bei neutraler bis basischer Reaktion, an Waldrändern oder im Bereich lichten Baumbestandes und wird wenig über 10 cm hoch. Von ihr zu sehen sind praktisch das ganze Jahr über nur Blätter. Die sind hauptsächlich hübsch nieren-, seltener herzförmig, glänzen oberseits adrett, sind unterseits, wie auch sonst dortige Pflanzenteile, etwas behaart. Die Blätter sitzen so dicht beieinander und stellen sich teils senkrecht zum Licht, schieben sich dabei teilweise über oder unter das Nachbarblatt, so dass sich insgesamt eine schön geschlossene Decke ergibt. Die hält sich praktisch das ganze Jahr und sieht immer erfreulich aus. Die Blätter schmecken pfeffrig, sind jedoch giftig.    

Von den Blüten ist im Gegensatz zu den Blättern nichts zu sehen. Sie befinden sich unter den Blättern, dicht an der Erde, sind klein und derart unscheinbar braunrot gefärbt, dass weniger aufmerksame Beobachter sie nicht zu Gesicht kriegen. Auch Insekten sind selten in ihrer Nähe zu finden. Gewöhnlich werden sie von kleinen Pilzmücken bestäubt, winzigen, uralten Lebewesen, wie man sie von Bernsteineinschlüssen her kennt. Gegebenenfalls bestäuben sich die Blüten auch selbst. Blütezeit ist von März bis Mai. Entstehende Samen werden von Ameisen sehr geschätzt und zum Bau gebracht, weil sie nahrhafte Anhängsel haben. Auf dem Weg dorthin verlieren die Tiere manches Samenkorn, säen so aus und sorgen für Verbreitung.   

Schon immer, seit der Antike, seit Hildegard von Bingen und weiter bis in die Neuzeit, diente Haselwurz arzneilich, hautreinigend, als Brechmittel, vor allem zum Niesen und als Schnupftabak zum Genießen. Heute ist das nicht mehr gültig. Im Garten pflanzt man die Staude am besten an Plätze, die wie geschildert vorgegeben sind. Vor allen Dingen darf man Haselwurz nicht flüchtig rasch in wenig geeignete Erde stopfen, mit dem Hinweis: „Jetzt wachs mal schön!“ Man beachte, dass Haselwurz anfangs Schwierigkeiten hat, sich einzugewöhnen. Umso wichtiger ist es, die Pflanzung gründlich vorzubereiten. Dabei helfen reichlich Mulm und einige halb verrottete Hölzer, zumal Haselwurz selbst bodenauflockernd wirkt. Flächen mit eingewöhnter Haselwurz sind Augenweiden für Jahrzehnte.    

Ilse Jaehner

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