|
Danach reifen rote Beeren
Rot ist Alarmfarbe, auch in der Natur. Wer im Juli/August durch Wälder streift, stößt mitunter auf sie in Gestalt intensiv roter Beeren, die dicht gedrängt um einen Stiel sitzen und was Verführerisches haben. Sind nicht auch Erdbeeren und Johannisbeeren rot und doch erwiesenermaßen harmlos, sogar essbar? Wie wäre es, diese hier mal zu probieren? Das sollte man besser bleiben lassen, denn es würde einem schlecht bekommen. Es handelt sich um Früchte vom Aronstab, einer heimischen, ziemlich häufigen Waldrandpflanze, die 2019 zur Giftpflanze des Jahres gekürt wurde. Weil die Fruchtstände so intensiv rot leuchten, sollte man meinen, die Pflanze wäre wer weiß wie bekannt. Ist sie aber nicht, trotz der Signalfarbe. Findet sie jemand, fragt er sich oft: Was ist denn das? Wo kommt das her?
An etwas absonnigen Plätzen, dazu ein wenig warm, ein wenig feucht, erscheint früh im Jahr ein sonderbares Gebilde, die Blüte des Aronstabes. Sie sieht nicht aus wie andere Blüten, Leberblümchen oder Maiglöckchen zum Beispiel, sondern besteht aus einer tütenförmigen Röhre, einem hellgrünen Hochblatt, aus dessen Innerem ein violetter Kolben ragt. Schneidet man die Hülle auf, sieht man unten versteckt winzige männliche Blüten sitzen und eine Etage tiefer weibliche. Im Kolben ist es zur Abendstunde 10 Grad wärmer als außerhalb derselben, und es stinkt ein bisschen. Das lockt Insekten an, die prompt in die Falle gehen, beim Herumfliegen die weiblichen Blüten mit dem Pollen der männlichen bestäuben und nach getaner Arbeit wieder freigelassen werden. Aronstab ist also keinesfalls ein Insektenfresser – insoweit harmlos.
Grundsätzlich bleibt es dabei: Aronstab ist hochgiftig. Das Rot der Beerenfrüchte – ein deutliches Alarmzeichen. Man sollte Kinder, die sich frei in der Natur aufhalten, eindringlich davor warnen, sie anzufassen oder gar zu essen, zumal sie süßlich schmecken. Wenige könnten schon tödlich sein. Sie sehen verlockend, verführerisch aus und dabei sollte es bleiben. So hübsch sich Aronstab manchmal macht am Waldesrand zusammen mit anderen Pflanzen dieser Standorte, wie z.B. mit Ruprechtskraut oder Storchschnabel und Waldmeister, dicht verwoben mit benachbarten Gehölzwurzeln – Finger weg davon! In osteuropäischen Ländern haben Menschen ein besonderes Verhältnis zum Aronstab. Sie konsumieren notfalls, wenn Nahrungsmittel knapp sind, seine fleischigen Wurzeln, jedoch niemals roh, sondern immer gegart, nachdem sich die Giftigkeit durchs Kochen verloren hat. Er selbst schickt seine Wurzeln tief in den Untergrund. So kann er sich gut an geeigneten Standorten etablieren und sich weiter durch Wurzelausläufer und reichlich Samen ausbreiten. Schon ziemlich früh im Herbst vergehen die Fruchtstände, sodass es ist, als wäre nichts gewesen.
Ilse Jaehner