Genetik verstehen für besseres Pflanzenwachstum

Wer innerhalb Deutschlands umzieht, nimmt oft an, dass alle Pflanzen, die im eigenen Garten wachsen, sich hier und dort gleich verhalten. Sie glauben zu wissen, welche Bedürfnisse ihre Pflanzen haben und wundern sich manchmal, dass Blumen, Gemüse oder Obst im anderen Umfeld anders reagieren als die Pflanzen, die scheinbar bekannt sind. 

Wohl dem, der sich nicht scheut, sich nach einem Umzug beim neuen Gartennachbarn zu erkundigen, wie einzelne Pflanzen sich örtlich verhalten, um eine erfolgreiche Ernte zu haben. 

Wie sich Pflanzen verhalten, wie sie aussehen und sich entwickeln ist, laut Forschenden des Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) ein Hauptziel der Genforschung. Demnach bestimmt ein einziges Gen in Pflanzen den optimalen Zeitpunkt zum Keimen und damit zum Überleben des Gewächses. 

 


Was ist Genetik?

Als der Abt und Pflanzenforscher Gregor Johann Mendel als erster begann Pflanzen zu erforschen, entdeckte er bei seinen Versuchen auffällige Phänomene, deren Grundlage heute Genetik (Vererbungslehre) genannt wird. Damit Mendel Pflanzen oder Samen bestimmen konnte, entwickelte er eine einfache Methode: Er wählte Pflanzen aus, die klare Vererbungsmuster aufwiesen. Erbsen waren zum Beispiel entweder glatt oder runzelig, gelb oder grün. Mittlerweile wissen wir, dass diese Eigenschaften durch die Unterschiede in einzelnen Genen festgelegt sind. Die meisten Merkmale eines Individuums funktionieren aber nicht auf diese Weise: Sie sind durch mehrere Gene festgelegt und darüber hinaus stark von der Umwelt beeinflusst. Ein klassisches Beispiel ist die Größe: Sie ist stark durch Umweltfaktoren wie Ernährung beeinflusst. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass die Größe eines Individuums durch Tausende von Genen reguliert wird. Jedes dieser Gene hat dabei nur einen kleinen Effekt. Viele menschliche Eigenschaften – darunter die meisten Krankheiten – scheinen auch auf diese Art genetisch komplex zu sein. Anders scheint das aber bei jenen Merkmalen zu sein, die einen evolutionären Vorteil beisteuern. Sie dürften nur von einem oder sehr wenigen Genen mit großen Effekten gesteuert werden. Dieser Unterschied ist nicht nur für die Genetik wichtig, sondern auch für die praktische Anwendung in Landwirtschaft und Medizin. 



 
Publikation im Journal eLife

In einer im renommierten Journal eLife publizierten Arbeit hat ein Forscherteam unter der Leitung des PhD-Studenten ­Envel Kerdaffrec die genetischen Grundlagen der Keimruhe (Seed dormancy) bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) untersucht. Kerdaffrec arbeitet am Labor von Magnus Nordborg am Gregor-­Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, subventioniert durch den Europäischen Forschungsrat. Die Keimruhe ist ein wichtiges Merkmal, das evolutionäre Vorteile bietet: Sie trägt dazu bei, den besten Zeitpunkt zu finden, wann der Samen auskeimen soll. Dazu haben die Forscher eine Pflanzenpopulation verwendet, die an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Umweltbedingungen in Nord- und Südschweden gesammelt wurde. Im Labor keimen Samen aus Nordschweden rasch, was auf eine Anpassung an die kurze Wachstumssaison im Norden schließen lässt. Samen aus Südschweden hingegen können für lange Zeit ruhen – wahrscheinlich eine Anpassung an die trockenen Sommer im Süden. Da das Genom dieser Pflanzen bekannt war, konnten die Forscher durch eine genomweite Assoziationsstudie bestimmen, welche Gene kontrollieren, wie lange die Samen in der Ruhe­phase bleiben. Überraschenderweise fanden sie den Unterschied in einem einzigen Gen, genannt DOG1 (DELAY OF GERMINATION1). Dieses Gen ist für die meisten Varianten zuständig, was bedeutet, dass die Unterschiede in diesem Merkmal von einem einzigen Gen mit großem Effekt kontrolliert werden. 




 
Zeitpunkt des Auskeimens bestimmt Überlebensfähigkeit

Dann testeten sie, wie die unterschiedlichen Versionen dieses Gens sich auf die Lebensfähigkeit der Pflanzen in der Natur auswirken. Im Frühsommer pflanzten sie eine gemischte Population der Pflanzen mit unterschiedlichen Varianten von DOG1 an einem Ort in Südschweden. Danach stellten sie fest, welche Pflanzen den Sommer und Herbst überlebten. Bemerkenswerterweise waren Pflanzen mit einer DOG1-Variante, die frühes Keimen hervorruft, 50 Prozent weniger überlebensfähig als diejenigen, bei denen das Auskeimen verzögert wird. Das legt den Schluss nahe, dass die Ermittlung des Zeitpunkts des Auskeimens eine der wichtigsten Eigenschaften ist, die darüber bestimmt, ob eine Pflanze überlebt. Die natürliche Selektion für dieses Merkmal dürfte durch verschiedene Versionen von DOG1 entstanden sein. Magnus Nordborg: „Ich glaube, es wird sich zeigen, dass viele die Anpassung betreffenden Merkmale eine ähnliche genetische Architektur aufweisen: Eines oder nur wenige Gene erklären den Großteil der Merkmals­unterschiede. Zu verstehen warum das so ist, wird für das grundlegende Verständnis der Genetik ebenso wichtig sein, wie für die Anwendung in der Medizin und in der Landwirtschaft.“ 



Wer war Mendel?


Gregor Johann Mendel war ein Priester des Augustinerordens und Abt der Brünner Abtei St. Thomas und wurde 1822 in Heinzendorf, Österreichisch-Schlesien geboren. Er entdeckte die Grundlage der nach ihm benannten Mendel­schen Regeln der Vererbung. Seine Kreuzungs-Versuche führte er über viele Jahre privat im Klostergarten durch. Er folgte einem völlig neuen Ansatz in der Vererbungslehre. Deren Ergebnisse wurden lange in Fachkreisen nicht verstanden und erst im Jahre 1900, lange nach seinem Tod, von anderen Wissenschaftlern, die selber übereinstimmende Resultate erhalten hatten, wiederentdeckt. 

Monika Hermeling

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