Mit einer Stinkesche etwas Gutes tun

Würden Sie sich eine Stinkesche in den Garten pflanzen? Wohl eher nicht. Ich auch nicht. Habe ich aber gemacht – ohne es zu wissen. An meiner kleinen Stinkesche hing nämlich das Schild „Bienenbaum“. Da greift man verständlicherweise schon eher zu. Manchmal ist es wirklich gut, dass ein und dieselbe Pflanze auf verschiedene Namen hört. „Stinken“ verheißt ja irgendwie etwas Negatives, obwohl die Zuordnung zu „wohlriechend“ und „übelriechend“ äußerst subjektiv ist. Dem einen stinkt es schon, wenn der Duft nicht Richtung Rose, Veilchen oder Chanel Nr. 5 geht, und dem anderen gefällt vielleicht die Ausdünstung seiner Brennnesseljauche. Aber zurück zur Stinkesche: sie fordert übrigens die Nase erst, wenn man ein Blatt zwischen den Fingern reibt; ansonsten ist sie mir noch nicht durch ihren Geruch aufgefallen. Meine persönliche Meinung dazu: intensiv, außergewöhnlich und etwas gewöhnungsbedürftig. Aber stinken: eher nein. Der Duft dieser Pflanze, die übrigens im englischen Sprachraum liebevoll „Bee-Bee-Tree“ (also „Bienen-Bienen-Baum“) genannt wird, ist sowieso nebensächlich.   

Dieser Baum, obwohl nicht hier, sondern in China und Korea beheimatet, besticht nämlich durch Vorteile, die nur wenige Pflanzen bieten können. Die Bezeichnungen „Bienenbaum“ oder „Honigesche“ (botanisch früher: Euodia hupehensis – heute: Tetradium daniellii) sagen es ja eigentlich schon: wenn dieser Baum im Garten steht, haben die Bienen, aber auch andere Insekten, eine sehr gut bestückte Speisekammer, aus der sie sich im August und September nach Herzenslust bedienen können. Diese Nahrungsquelle ist aus dem Grunde wichtig, da zu dieser Zeit das Angebot an Nektar zumeist recht dürftig geworden ist, da der Zeitraum der Obstbaum- und der Lindenblüten vorbei ist. Der Blütenstand des Bienenbaums besteht aus einer Schirmrispe mit einem Durchmesser von rund 15 cm und, dem Holunder ähnelnd, aus vielen kleinen Einzelblüten, die zudem sehr reich an Nektar und Pollen sind. Das wissen besonders die Honigbienen meiner Frau, die sich über den kurzen Weg zwischen Blüten und Bienenstock freuen. Da sich das auch unter den anderen Insekten sehr schnell rumspricht, kann man den Baum während der Blüte nicht nur sehen, sondern auch hören. Fliegen, Bienen, Hummeln und Wespen machen sich wild schwirrend an den Blüten zu schaffen, um sich satt zu saugen und daneben einen Teil der Beute in ihre Vorratskammern zu bringen. Sie sind so ungestüm, dass die kleinen Blütenblätter wie ein sommerlicher Schneefall herunterrieseln. Da unter meinem Bienenbaum ein paar Himbeeren wachsen, muss ich bei der Ernte immer aufpassen, dass nicht zu viele der Blütenblätter in das Sammeleimerchen fallen.   

Meine „Stinkesche“ habe ich vor zehn Jahren als rund 1,50m hohe Jungpflanze in den Boden gesetzt. Da insbesondere die Triebenden in den ersten Jahren recht frostempfindlich sind, habe ich sie im Frühjahr gepflanzt, um dem ersten Winter auszuweichen: zudem musste sie an ihrer Pflanzstelle keinen unangenehmen Ostwind fürchten. Da in den folgenden kalten Jahreszeiten trotzdem die Zweigenden erfroren sind, konnte der Baum auch keine richtige Mittelachse ausbilden, sondern bekam eher das Aussehen eines Strauches. Im Laufe der Jahre wurde er rasch größer und hat heute sowohl eine Höhe als auch einen Kronendurchmesser von sieben bis acht Meter. Man muss also schon beim Pflanzen daran denken, dass man ihm genügend Raum zum Ausbreiten lässt. Obwohl er in manchen Prospekten als „Kleinbaum“ bezeichnet wird, der „nur“ eine Höhe von ca. zwölf Meter erreichen soll, wird das für die meisten Gärten leider ein zu großes Gewächs sein.   

Wenn es starke Spätfröste gibt, fällt die Blüte recht bescheiden aus, da die meisten Spitzen, wo sich die Blütenknospen befinden, erfroren sein werden und er notgedrungen an den Seitenaugen ausschlagen muss. In normalen Jahren allerdings befinden sich an fast sämtlichen Zweigenden Blütenstände, die sich im Herbst zu dunkelroten Fruchtständen verwandeln. In Verbindung mit dem dunklen Grün der Blätter ergeben sie ein farbenprächtiges Herbstbild. Die ölhaltigen Samen sollen gerne von Vögeln gefressen werden – das haben unsere Vögel bisher allerdings noch nicht mitbekommen. Aber sie sind sicherlich lernfähig.   

Da mein Bienenbaum bereits so groß ist, hat er auch ein entsprechendes Wurzelwerk, zu dem eine Pfahlwurzel gehört, mit der er sich die benötigte Feuchtigkeit aus tieferen Schichten holen kann. Somit haben ihm die letzten trockenen Jahre nichts ausgemacht. Zudem ist er recht anspruchslos, was den Boden betrifft; er kommt gut mit meiner normalen, zum Sandboden neigenden Gartenerde zurecht.   

Wer also Platz hat und den Insekten etwas Gutes tun möchte, ist mit dem Bienenbaum (vergessen wir einfach mal „Stinkesche“) gut beraten.   

Manfred Kotters

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