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Die Zauberwelt des Winters
Jeder Mensch hat sein besonderes Verhältnis zum Schnee, mal mehr positiv, mal mehr negativ. Manchem ist er sogar völlig wurscht, weil er so gut wie nichts mit ihm zu tun hat, höchstens in ferner Erinnerung an frühere Winter, als es noch normal war, morgens Bürgersteige zu fegen oder sonstwie dafür zu sorgen, dass Schnee nicht lästig wurde. Vielerorts bleibt Schnee inzwischen aus oder stellt sich in so geringer Menge ein, dass man das Wenige einem Tauwetter überlassen kann.
Gartenfreunde haben indes noch immer ihr eigenes Verhältnis zum Schnee. Sie brauchen ihn nicht unbedingt, das Jahr ginge auch ohne ihn weiter, aber wenn er da ist, ist er einerseits schön und andererseits nützlich. Schön ist er, weil er den Garten in ein Zauberreich verwandelt, vor allem, wenn ihm Raureif dabei zu Hilfe kommt. Dann deckt er die Erde mit herrlich leichten, weißen Kristallen dicht und doch so luftig, dass alle Pflanzen darunter in einem weichen Bett liegen, gut geschützt vor Kälte. Es gibt keinen besseren Frostschutz als eine geschlossene Schneedecke. Alles Fichtengrün, alle Vliese, Schutzmatten und dergleichen sind nur Notbehelf. Ausnahmen, wonach Schnee auch mal weniger günstig ist, sind Säulenformen von Nadelgehölzen, die etwas locker geschnitten wurden und nun auseinanderzufallen drohen, wenn man schwerere Last nicht sofort abschüttelt. Ansonsten putzen sich die Pflanzen raus, jedenfalls was im Herbst von ihnen übrigblieb, und es soll viel übrigbleiben. Nur nicht alles Verblühte und Verdorrte radikal entfernen, sondern stehenlassen und abwarten, welche wunderbaren Gebilde Schnee und Raureif daraus machen. Vor allem Gräser tun sich da riesig hervor, doch auch manche Stauden lassen sich sehen, wie das hohe Herbstsedum, das sich Schneemützen aufsetzt und mit bläulichen Schatten der Wintersonne kokettiert.
Im Gemüsegarten kommt erster Schnee gerade recht, damit die Erde nicht gleich ganz gefriert und so Gelegenheit bleibt, Wurzelgemüse wie Rettich, Möhren, Petersilie, Pastinaken noch vom Beet zu ernten und gleich zu verzehren, ohne Lagerung in einem vielleicht zu warmen Keller. Vliese und Folien helfen dabei. Auch Gemüsearten im Frühbeet wie Feldsalat und letzten Endivienpflanzen geht es im Schutz von schneebedeckten Frühbeetfenstern gut. Vor Januar friert es selten so stramm, dass es für sie gefährlich werden könnte. Staudengärtner sind hoch zufrieden mit Schnee, denn die in Schalen gesäten kaltkeimenden Staudenarten animiert Schnee, demnächst bei einsetzender Wärme zügig zu keimen. Man sollte nur aufpassen, dass nicht irgendein Mäuseclan das Ganze missversteht und sich über die Samen hermacht, als wären diese für sie bestimmt. Im Frühjahr gibt es sonst eine große Enttäuschung, weil kein Sämling aufgeht. Am Schnee liegt’s dann aber nicht. Er tut nur Gutes, meistens.
Ilse Jaehner