Grünkohl-Geschichten

Grünkohl schmeckt nach Frosteinwirkung besser

Ich halte mich daran: Obwohl immer mal wieder gesagt wird, dass es nicht unbedingt notwendig ist, dass Grünkohl Frost abbekommt, um seinen Geschmack zu verbessern, lasse ich erst mal den Winter einwirken, bevor die Grünmasse in den Topf wandert. Man sollte zwar stets für Neuigkeiten offen sein, aber es heißt auch: „Never change a winning team!“ Da ich das, wie gesagt, in jedem Jahr durchziehe, habe ich auch die niedrigen Temperaturen im Winter 2009/10 einwirken lassen. Nur: die Frostperiode dauerte nicht nur etliche Zeit, sondern es kam auch zu Kahlfrösten, das heißt, die schützende Schneedecke fehlte tagelang. „Aber, was soll’s!? Grünkohl benötigt ja Frost, der hält das schon aus!“, waren meine sorglosen Gedanken. Dann kam der Tag der Wahrheit, sprich der Ernte. Die Pflanzen sahen schon ein wenig anders aus, als gewohnt. Das Wachstumszentrum in der Mitte schien arg lädiert zu sein und viele Blätter sahen auch nicht mehr so frisch aus – eher ein wenig welk.   

Trotzdem: ernten, waschen, klein schneiden, nicht lange nachdenken und ab in den Topf – auf dass es eine leckere Wintermahlzeit werde! Vorsichtig haben wir probiert. Die erste behutsam zum Mund geführte Gabel schmeckte recht ungewohnt – die zweite allerdings auch. Ehrlich: die vor uns liegende grünlich-braune Masse war nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet. Was nun? Wir haben uns kurzerhand entschlossen, Eier daraus zu machen, d.h. unsere Hühner damit zu erfreuen. Die gefiederten Freunde sind zum Glück nicht so wählerisch und haben es sich schmecken lassen…  

Merke: Frost beim Grünkohl ist gut – aber die Menge macht’s!  


Mal was Neues ausprobieren

Es stand in irgendeiner Gartenzeitschrift: wenn man den Grünkohl erntet, sollte man nur die großen äußeren Blätter abbrechen und das „Herz“ stehen lassen. Er würde, wenn die Temperaturen es im Winter zulassen, weiterwachsen und für eine zweite Ernte sorgen. Hörte sich logisch an – also habe ich’s ausprobiert. Die abgeernteten Pflanzen sahen schon ein wenig traurig aus, als sie so nackend auf dem Beet standen: die hellgrünen Stängelabschlüsse am oberen Ende der Grünköhler waren die einzigen lebenden Pünktchen im wintergraubraunen Garten. Hier wohnte also das Restleben! Nun hieß es nur noch: warten. Und tatsächlich wurden aus den kleinen, krausen Miniblättchen so langsam größere Flächen. Als ich nach ein paar Tagen wieder erwartungsvoll in den Garten ging, war ich augenblicklich „not amused“. Die oftmals nicht unberechtigt „Ratten der Lüfte“ genannten Wildtauben hatten anscheinend auch die leckeren, lebenden Grünpunkte für sich entdeckt. Es war schon ein trauriges Bild: die (ehemaligen) Blättchen hingen zerfetzt an der Mutterpflanze. Und damit nicht genug, die Tauben hatten sowohl gefressen, als auch dagelassen, was so nach der Verdauung übrigbleibt. Appetitlich ist was Anderes…   

Merke: Die Natur ist immer für eine Über­raschung gut!    


Hochzeitsgeschenke

Ohne groß nachzudenken, haben wir in großer Verliebtheit damals irgendeinen Hochzeitstermin festgelegt, einfach so. Da wussten wir noch nicht, dass es zu bestimmten Gelegenheiten Probleme geben könnte…  

Es geschah in der dunklen Jahreszeit: am Abend um 20 Uhr schellte es an der Haustür. Wer mochte das nun wohl sein?   

Als wir öffneten, stand eine Schar von Freunden vor uns – mit einer großen Wanne voll Grünkohl! – Grünkohl?    

Die acht Freunde ließen uns eine Weile im Unklaren, bevor sie die Lösung präsentierten: „Wir haben lange herumgerechnet; denn es ist nicht so einfach, das Datum zu bestimmen, wenn man 12,5 Jahre abzählen muss.“  „12,5 Jahre??“ „Nach 12,5 Jahren feiert man die Petersilienhochzeit. Aber wir hatten keine Lust, jetzt im Winter in allen Geschäften die Petersilienvorräte aufzukaufen. Da haben wir einfach Grünkohl genommen – der ist ja schließlich auch grün und kraus. Außerdem sind die Blätter größer und wir sind schneller fertig.“  

So sprach man und dekorierte im Handumdrehen sowohl die Haustür mit Umgebung als auch den Tisch im Wohnzimmer. Diesen Hochzeitstag werden wir nie vergessen!  


Alles ist relativ!

Die Grünkohlernte steht an. Wenn ich mir so das Beet betrachte, denke ich, dass die Ernte wohl nicht so groß ausfallen wird. Die wenigen Pflanzen werden sicherlich nur für zwei Mahlzeiten reichen.   

Schon als ich die abgeschnittenen Pflanzen auf die Schubkarre lade, merke ich, dass sie so etliches an Platz benötigen. Nachdem ich dann das Grüne von den Stielen gezogen (bei uns sagt man: „abgeströppt“) habe und die volle Wanne sehe, denke ich: „Die Ernte fällt in diesem Jahr doch recht gut aus.“  

Nach dem Waschen koche ich die Grünmasse kurz auf und lasse sie im Durchschlag abtropfen. Wenn ich mir nun die zusammengefallene Masse betrachte, denke ich: „Den ganzen Sommer habe ich die Pflanzen gehegt und gepflegt. Und was kommt jetzt dabei heraus: so ein kleines Häufchen Grünkohl!“   

Um eine einheitliche Verzehrmasse zu bekommen, drehe ich die gekochten und abgekühlten Blätter durch den Fleischwolf. Danach wird diese Masse portionsweise in Gefrierbeutel verpackt. Als ich dann die Menge der Beutel sehe, denke ich: „Mein Gott, wer soll das alles essen!?“  

Fazit: Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint.    

Manfred Kotters

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