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Gehölze, auch Obstgehölze, bilden Blatt- und Blütenknospen bereits im Vorjahr. Ihr Aufbau geht von innen nach außen vor sich. Schon im Juni ist der Rohbau einer Knospe mit allen Teilen, die Blatt und Blüte ausmachen, fertig. Im Juli kommen die Innenarbeiten dran. Als kleine Schuppen liegen die Blätter in solchen Knospen dicht zusammengerückt aneinander. Derbe, braune, verholzte Schuppen umgeben die Blattanlagen und schützen sie hauptsächlich vor Verdunstung. Ein Blattspross in einer beschädigten Knospe verdunstet 2–4 Mal so viel Wasser wie ein Spross in unbeschädigter Knospe. Der Abwurf alter Blätter im Herbst ist in erster Linie eine Maßnahme, um übermäßigen Wasserverlust im Winter zu vermeiden.
Im Sommer entstehen also neue Knospen an den Trieben. Sie entwickeln sich jedoch nicht bis zur Vollendung, sondern machen nach einiger Zeit erst mal Schluss. Von Juni bis August durchleben sie die so genannte Vorruhe. Da passiert erst mal gar nichts. Es ist Stillstand. Von September bis Oktober folgt die Hauptruhe ähnlich passiv. Von November bis Dezember, in der Nachruhe, ist Aufbruch in der Luft, aber es tut sich noch nichts. Der gesamte Ruhestand dauert also 6–7 Monate.
Im Januar ändert sich das grundsätzlich. Die Zeit der Ruhe ist vorbei. Alles wartet auf das Signal zum Aufbruch, auch für den Aufbruch von Knospen. Deren Fähigkeit, die Ruhe aufzugeben, also zu treiben, wird durch erlebte tiefere Temperaturen erheblich gesteigert. Mit anderen Worten: Kälte hilft, die Wachstumshemmung zu überwinden. Andererseits schützt die Notwendigkeit, erst mal Kälte zu erfahren, Knospen davor, unzeitgemäß zu treiben. Der zweite Faktor, der die Ruhe aufhebt, ist Wärme. Gehölze reagieren recht unterschiedlich auf den Wärmereiz. Sie liegt beim Apfelbaum nahe über dem Gefrierpunkt, steigt bis zur Blüte auf 8 Grad. Dann müssen Apfelbaumknospen treiben, ob sie wollen oder nicht.
Dabei geht es geregelt zu: Das Knospenstadium ist gekennzeichnet von geschlossenen, mit Hüllschuppen lückenlos umgebenen Knospen. Stellt sich die Schwellentemperatur ein, werden die Knospen im Schwellenstadium (Knospenschwellen) deutlich dicker. Die Knospenschuppen wachsen noch um das 2–5-fache ihrer ursprünglichen Länge und schützen so den Spross in der Knospe vor ungünstiger Witterung. Danach bekommt der Knospenmantel dünne Stellen. Hellere Partien und zum Teil stark behaarte Knospenschuppen werden sichtbar. Im Knospenaufbruch zeigt sich erstes Blattgrün. Grüne Blattspitzen überragen die Knospenschuppen um etwa 5 mm. Im Mausohrstadium überragen grüne Blattspitzen die Knospenschuppen um etwa 10 mm. Erste Blättchen spreizen sich ab. Bald werden Blütenknospen sichtbar. Spritztermine in Sachen Pflanzenschutz vor der Blüte orientieren sich an den verschiedenen Knospenstadien.
Ilse Jaehner