Veilchen blühen im Verborgenen

Was Duftveilchen betrifft, kommen manche Menschen bei ihrem Anblick sofort ins Schwärmen. Sie brauchen die Blüten noch nicht mal selbst im Garten zu haben. Schon ein kleines, geschenktes Sträußchen reicht für Ahs und Ohs. Die schönsten, liebenswertesten Veilchen wachsen allerdings im eigenen Garten und blühen da im März, April, Mai, Juni. Wie das? Blüten im Mai oder gar Juni? Das verhält sich so: Im frühen Frühling ab März stehen die blauen Blüten frei über den dann zunächst kurzgestielten Blättern. Je wärmer es wird, desto länger, höher wachsen die Blattstiele, desto größer auch die Blattflächen, bis anscheinend überhaupt keine Blüten mehr vorhanden sind. Tatsächlich geht unter dem Blätterdach das Blühen weiter. Diese späten Blüten sind allerdings so unscheinbar, dass man sie meist übersieht. Ihnen fehlen die blauen Blütenblätter, es fehlt der Duft, ja, sie öffnen sich nicht einmal. Trotzdem entstehen Samen, weil sich diese Blüten selbst bestäuben. Die auffälligen Frühlingsblüten werden zwar häufig von Bienen und Hummeln besucht, doch sie bilden im Gegensatz dazu selten Samen. Für den Fortbestand der Art sind jedenfalls die Sommerblüten wesentlich wichtiger als die Frühlingsblüten. Insofern blüht das Veilchen, wie man so sagt, tatsächlich im Verborgenen.   

Das Veilchen selbst ist nicht so scharf auf werweißwie versteckte Winkel. Im Grunde sucht es wohl mehr den zusagenden Standort als die Verborgenheit. Vor allem im Frühjahr will es frei und sonnig stehen, zum Beispiel auf leichten Böschungen vor einer Hecke, die im Sommer etwas Schatten spendet, und immer in humoser, mittelschwerer, nahrhafter und selbst im Sommer genügend feuchter Erde. In kühleren Lagen verträgt es sogar eine ganze Portion Sonne. An zusagenden Stellen muss man es eigentlich nur in Ruhe wachsen und sich vermehren lassen. Das gelingt ihm außer mit Samen mit oberirdischen Ausläufern. Ferner kann man nach der Blüte teilen.   

Die heimische Wildform Viola odorata erhielt im Laufe der Zeit Gesellschaft von vielen Sorten in Weiß, Rosa, gepunktet und anderen Varietäten. Liebhaber sammeln eifrig. Nicht nur fürs Auge, denn Veilchen spielen in der Homöopathie eine Rolle und ihre Blüten sind essbar. Feinschmecker haben es gewissermaßen zum Fressen gern – in Form von kandierten Veilchenblüten, Veilchencreme, Veilchenmarmelade und anderen Leckereien. Zudem gibt oder gab es besonders um die ersten Veilchenblüten nach dem Winter mancherlei Bräuche. So darf man sich beim Anblick der ersten Veilchenblüte etwas wünschen, natürlich nicht unbescheiden praktisch Unerfüllbares. Es muss schon im Rahmen des Möglichen bleiben. Und wer die drei ersten Blüten isst, darf einigermaßen sicher sein, das Jahr gesund zu überstehen. Darum Leute, geht in den Garten und schaut nach, täglich.   

Ilse Jaehner


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