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In einem Traum darf ich auch mal ein Lottogewinner, ein Fußballstar oder einfach nur so ein Millionär sein. Auf jeden Fall: Geld ohne Ende! Wenn Auto, Haus und Segelyacht angeschafft sind, geht’s in den Garten. Nur zum Lustwandeln; denn alles, was erledigt werden muss, machen meine fest angestellten Gärtner. Der gesamte Garten sieht pikobello aus: kein Hälmchen Unkraut, nichts Verblühtes und ein akkurat gemähter Rasen. Einfach nur schön. Einfach nur genießen. Einfach nichts tun. Ist das nicht wunderbar!?
Ein Gartenarchitekt plant und gestaltet in jedem Frühjahr ein neues Bild des Gartens. Er entscheidet, was gerodet wird und welche Pflanzen bestellt werden. Ich muss mich um nichts kümmern. Eine Landschaftsgärtnerei erledigt die Arbeiten. Auch die Sämereien für den Gemüsegarten sucht er aus. Mit dem Koch bespricht er, was dieser gerne auf den Tisch bringen möchte. Geschulte Gärtner betreuen die Beete im Laufe des Jahres. Falls Krankheiten oder Schädlinge auftreten, wissen diese sogleich, welches Mittel rasch Abhilfe schafft. Das Gesamtbild des Gartens muss schließlich ganzjährig fotogen sein – sagt mein Gartenarchitekt. Es wächst überall nur das, was dort auch gesät oder gepflanzt wurde. Selbstaussaat oder spontane Vegetation wird unterbunden, um das geplante Gesamtbild nicht zu stören. Es ist alles einfach nur schön – und ich bin nur dazu da, um zu genießen. Herrlich!
Wenn ich ehrlich sein soll: das ist mir zu wenig! Zum Glück ist es nur ein Traum. Ich möchte gestalten, Neues ausprobieren und Fehler machen, aus denen man bekanntlich klug wird. Der Garten soll mich fordern, so dass ich mir Gedanken machen muss – denn genau dieses Gedankenmachen ist der entspannende Gegenpol zu meinem Alltag. Sind die Gedanken voll damit beschäftigt, ein Schädlings-, Bewässerungs- oder Keimungsproblem zu lösen, ist die Verbindung zum Alltag komplett abgeschaltet. Abschalten – genau das, was ich im Garten will. Ich komme mal raus aus der Tretmühle und bin in einer komplett anderen Welt. Bin ich aber nur der Betrachter, können meine Gedanken schnell wieder den Weg zu dem nörgelnden Kunden, dem penetranten Vertreter oder dem viel zu schnellen Fließband finden und mich zurück in die Arbeitswelt holen, der ich ja eigentlich im Garten entkommen möchte.
Während ich als Millionär täglich in meinen Fitnessraum gehen würde, um dem Körper die nötige Bewegung zu verschaffen, gehe ich als Hobbygärtner in den Garten. Dort gehe und stehe ich, dort bücke und knie ich mich, dort recke und strecke ich mich, hebe und schneide, um all die Arbeiten zu erledigen, die anfallen. Obwohl in beiden Fällen genügend Schweiß fließt, kann man nur im Garten sehen, dass ich was geschafft habe – die Fitnessgeräte verändern sich durch mein Treiben nicht.
Ich finde es zudem sagenhaft (ent)spannend, wenn ich mich für eine bestimmte Pflanze, sei es eine Tomate oder eine Blume, entscheide, diese aussäe, pikiere, auspflanze, gieße und betreue, um am Ende einen nie gekannten Geschmack oder Duft genießen zu können! Ich begleite dazu die Pflanze ihr Leben lang: quasi von der Geburt bis zum Tod. Ein Erlebnis, das nur die wenigsten Menschen wirklich genießen können. Wenn man einen Garten hat, muss (oder besser: darf) man immer wieder Entscheidungen treffen. Wir entscheiden, ob ein Obst- oder Ziergehölz gepflanzt wird. Wir entscheiden, welche Farbe die geplante Rose haben soll. Wir entscheiden in jedem Jahr, welches Gemüse oder welche Blumen gesät oder gepflanzt werden. Es ist doch schön, auch mal der Chef zu sein!
Dabei sollte man aber stets im Auge halten, dass der Garten nicht zu einer zweiten Arbeitsstelle wird. Ein bisschen „Millionär“ muss auch sein. Soll heißen: immer mal wieder als bloßer Zuschauer durch den Garten gehen und genießen, was man geschaffen hat. Wenn der Platz es zulässt, ist es angebracht, hier und da einen Gartenstuhl oder eine Gartenbank zu platzieren, auf die man sich zwischendurch mal setzen (und auch ausruhen) kann. Wenn man dabei noch eine Tasse Kaffee (oder auch ein Bierchen) in der Hand hat, können einem alle Millionäre der Welt mal den Buckel runterrutschen!
Manfred Kotters