Angst vor Wespen?

Im Garten begegnet man vielen Tieren, die man bewundert und bestaunt: farbenprächtige Schmetterlinge, schillernde Käfer oder putzige Igel. Doch beherbergt die Fläche auch Lebewesen, die einen negativen Ruf haben. (Wühl-)Mäuse, Schnecken oder Läuse gehören auf jeden Fall dazu. Aber auch Stechmücken, Bremsen oder Wespen werden gerne in diese Schublade gepackt. Wobei man den Wespen etwas Unrecht tut. Während sich nämlich die erstgenannten unerwartet, hinterhältig und angriffslustig auf die freien Körperstellen setzen und zustechen, verhält sich die Wespe wesentlich friedlicher. Sie ist lediglich neugierig und hungrig – also irgendwie reagiert sie sogar ähnlich wie wir, wenn Süßes oder Fleischiges lockt. Wenn jedoch der menschliche Kuchen- oder Kotelettesser alles für sich beansprucht und solch eine Schwarzgelbe mit wilden Fuchtelbewegungen fortjagen will, verteidigt sie ihren vermeintlichen Anspruch auf den Leckerbissen und – im schlimmsten Fall – kämpft sie mit ihrer Stichwaffe, dem Stachel; und das ist fürwahr schmerzhaft! Aber das muss nicht sein. Wenn man ruhig zuschaut, wie die Wespe sich „ihren“ Anteil holt, hat man nichts zu befürchten. Andere Regeln gelten natürlich, wenn kleine Kinder am Tisch sitzen oder die Mahlzeit in der Nähe eines Wespennestes stattfindet. In diesen Fällen sollte man den Essensplatz wechseln und (insbesondere bei Kindern) gegebenenfalls drinnen weiteressen. Haben die Wespen nämlich solch eine Futterstelle gefunden, kommen sie immer wieder und bringen weitere hungrige Freunde mit. Das ist aber nur lästig, nicht gefährlich; immer unter der Voraussetzung, dass man sich ruhig verhält.      
Ein extremes Beispiel habe ich selbst einmal erlebt: vor Jahren saß ich auf unserer Terrasse. Plötzlich setzte sich eine Wespe auf meinen Handrücken. Ich blieb ruhig, beobachtete sie und wartete ab. Völlig unerwartet wanderte sie an meiner Hand entlang und verschwand im Ärmel meines Hemdes – schlimmer geht‘s ja wohl nicht! Ich hatte zwei Alternativen: in Panik geraten und unweigerlich gestochen werden oder nichts machen und ungeschoren davonkommen. Ich saß da also wie in Beton gegossen und bewegte mich keinen Millimeter. Kitzelnd krabbelte sie bis zum Ellbogengelenk. Ich konnte nur hoffen, dass sie nach erfolgloser Suche wieder den Rückweg einschlagen würde. Tatsächlich machte sie irgendwann kehrt, schlabberte etwas von meinem Angstschweiß, kam wieder zum Vorschein und flog einfach davon. Seit diesem unvergesslichen Erlebnis sehe ich die Tiere mit ganz anderen Augen: sie suchen lediglich Nahrung und wenn keine zu finden ist, lassen sie ihre Enttäuschung nicht am Menschen aus, sondern treten weiterforschend den Heimweg an.         
Mal ehrlich: wann wird man von einer Wespe gestochen? In den meis­ten Fällen doch nur, wenn der Mensch sich in den Augen der Wespe falsch verhält. Die Wespe weiß ja nicht, dass man eigentlich nur die Pflaume pflücken möchte oder sich nur am Fuß kratzt, weil es dort kitzelt. Sie sitzt aber zufällig genau dort, fühlt sich bedrängt und wehrt sich lediglich. Auch Wespennester sind nicht automatisch Gefahrenquellen, wenn man sich normal, also ruhig und mit gebührendem Abstand, verhält. Es wäre für die Wespengemeinschaft ja auch sehr mühevoll, jedes Tier, sei es Kaninchen, Reh, Katze oder Hund, beim Vorbeigehen anzugreifen. Tritt man dagegen versehentlich auf ein Erdwespennest oder fährt dort mit einem Rasenmäher darüber, provoziert man dadurch eine natürliche Verteidigungsreaktion; so wie auch ein Hofhund seinen Bereich verteidigt.       

Außerdem stirbt ein Wespen- oder auch ein Hornissenvolk spätestens im Herbst; im nächsten Jahr sieht alles ganz anders aus. Nur einige wenige Königinnen überleben nämlich den Winter und begründen im neuen Jahr an einer neuen Stelle eine neue Gemeinschaft – im Gegensatz zur Honigbiene, die als ganzes Volk lebend überwintert.      
               
Manfred Kotters              

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