Raupen – Na endlich!

Wenn man einen Garten hat, hat man auch Wünsche. Erfolgreich Süßkartoffeln oder Artischocken anbauen, die Blüte einer „Königin der Nacht“ auf der eigenen Fensterbank bestaunen oder auch das Nest eines Zaunkönigs in den Büschen finden. Ich habe auch einen Pflanzkorb voller Wünsche, wobei einer ganz oben steht: Raupen! Nicht die vom Kohlweißling oder gar die vom Eichenprozessionsspinner. Ich wünsche mir einfach, dass das, was ich bisher nur als trockene Buchinformation kenne, in meinem Garten Wirklichkeit werden soll; wie oft habe ich gelesen, dass man in einer Ecke seines Gartens Brennnessel wachsen lassen solle, damit dort gewisse Schmetterlinge ihre Eier ablegen und deren Raupen sich entwickeln könnten?! In den Jahrzehnten, in denen ich Hobbygärtner bin, habe ich immer ein Brennnesselbeet gehabt; alleine schon, um einen Teil davon jährlich für Pflanzenjauche zu verwenden. Aber Raupen – Fehlanzeige! Obwohl Kleiner Fuchs (in den letzten Jahren allerdings kaum noch) und Tagpfauenauge als Schmetterlinge gerne meine Blüten besuchen – vermehrt haben sie sich auf meinen Brennnesseln noch nicht. So ganz langsam keimte deshalb in mir der Verdacht, dass diese Brennnesselinformation in den Bereich Garten-Fake-News einzusortieren wäre. Doch von einem auf den anderen Tag löste sich mein Misstrauen in Luft auf. Und das kam so: aus Altersgründen hatte ich vor Jahren einen Teil des Gemüsegartens in eine Vergrößerung des Hühnerauslaufs umgewidmet; so hatte ich weniger Arbeit und das Federvieh im Gegenzug noch mehr Platz. Da wir auf dem Lande wohnen, hatte der Habicht schon einige Male unsere Hühner zu seiner Nahrung auserkoren. Um dem Vogel das Finden solch einer Mahlzeit zu erschweren, haben wir aus Tarnungsgründen keine weißen, sondern braune Hühner. Als Sicht- und Sonnenschutz stehen im Auslauf Haselnussbüsche und Holunder, da die Äste gerne als Sitzstangen genutzt werden und diese Sträucher den aggressiven Ausscheidungen der Hühner gewachsen sind. Zudem ist fast die gesamte Restfläche mit großen Brennnesseln und Herzgespann (Leonurus Cardiaca) bewachsen. Sie sind lange Zeit ein idealer Schutzschirm gegen Greifvögel, da diese Pflanzen nicht dem Geschmack der Hühner entsprechen und somit üppig wachsen können. Vor einiger Zeit hatten wir neue Hühner bekommen, denen wir nur peu à peu den Auslauf erweitert haben, damit sie die große, unwegsame Fläche nur langsam kennenlernen würden. Als ich mich nun Mitte August durch diese hühnerlose Fläche kämpfte, um an die am Zaun wachsenden Brombeeren zu gelangen, stieß ich auf eine Stelle, wo nur noch Brennnesselstängel zu sehen waren – und massenweise schwarze Raupen. „Na endlich“, dachte ich mir. Ein Blick ins Schmetterlingsbuch bestätigte meinen Verdacht: hunderte Raupen vom Tagpfauenauge hatten sich an den Pflanzen gütlich getan. Die Bedingungen im Auslauf waren für den Schmetterlingsnachwuchs aber auch ideal: geschützt, störungsfrei und sonnig. Nun stand für mich fest, dass diese Fläche für die Hühner erst mal für längere Zeit tabu sein musste. Die Raupen sollten sich ungestört entwickeln und verpuppen können. Wenn ich im Oktober sicher sein könnte, dass die Falter geschlüpft wären, um sich für den Winter ein Versteck zu organisieren, dürften die Hühner dann endlich von der Ersatzbank auf’s Spielfeld. Bleibt zu hoffen, dass viele von diesen Raupen zu farbenfrohen Schmetterlingen werden, die im nächsten Jahr die Gärten bereichern.    

Nun ist dieser sehnliche Wunsch also erfüllt. Soll ich mich nun an den Anbau von Süßkartoffeln wagen? Müsste eigentlich zu schaffen sein…  

Manfred Kotters

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