Aller Anfang ist schwer

Schön, wenn es klappt   

Obwohl viele die von Opa geerbten Gemüsebeete in Rasen umwandeln, um sich Arbeit zu ersparen, gibt es auch den gegenläufigen Trend, dass nämlich (junge) Familien wieder beginnen, Frische und Geschmack der Früchte aus dem eigenen Garten wertzuschätzen. Schade, dass die meisten nicht mehr auf das Wissen über Anbau, Pflege und Ernte der Vorfahren zurückgreifen können. Warum? Ja, diese wissen es auch nicht mehr, da die Arbeitswelt, die finanziellen Möglichkeiten und das riesige Obst- und Gemüseangebot in den Supermärkten das Leben grundlegend verändert hat und den Nutzgarten überflüssig zu machen schien.    

Doch die Zeiten und die Einstellungen der Menschen ändern sich. Darum hört man jetzt immer mal wieder: „Wenn ich sehe, was ihr alles so aus eurem Garten erntet… Bei den Preisen heutzutage, da lohnt sich sowas bestimmt. Wir haben hinter dem Haus doch eine Fläche mit Rasen – da machen wir jetzt einen Gemüsegarten draus.“ Wenn das nicht in die Kategorie „Silvester-Vorsätze“ fällt, also der Geist zwar willig, aber das Fleisch schwach ist, sondern tatsächlich zum Spaten gegriffen wird, um den Vorsatz in die Tat umzusetzen, dann kann das Abenteuer beginnen. „Abenteuer“? Ja, denn man weiß nie, ob man im Laufe des Jahres Kämpfe bestehen muss, sei es gegen die Trockenheit oder gegen Schädlinge. Vielleicht läuft aber auch alles glatt und es gelingt, was geplant war. Also einen Garten zu beackern bedeutet, mit Siegen und auch Niederlagen umzugehen. Es ist wie bei jedem Hobby: ob Klavierspielen, Bastelarbeiten oder Sport – nirgendwo ist je ein Meister vom Himmel gefallen; und die erste Zeit ist die schlimmste, da hier grundlegende Fehler gemacht werden können, weil man eben Neuland betreten hat. Auch im Garten sind Regeln zu beachten. Wer Gurken bereits März / April in den Garten sät oder Pastinaken im Juni, der kann einfach keine Ernte erwarten. Das Gute daran: solch einen Fehler macht man nur einmal – aber nur, wenn man herausgefunden hat, warum die entsprechende Ernte ausfiel. Hier macht tatsächlich jeder Fehler klug.  

Schon bei der Planung, das heißt bei der Suche nach der passenden Gemüsesorte, werden Enttäuschungen vorprogrammiert. Wir kennen das doch auch von uns: nur die besten und schönsten Bilder schaffen es ins Urlaubs­album. Genauso arbeiten auch die Werbespezialisten, die für die Bebilderung der Kataloge und Samentüten zuständig sind. Absolut ebenmäßige Möhren und Gurken, riesige Kürbisse und Paprikapflanzen voller Früchte – so funktioniert eben Werbung. Klar, dass da jeder genau solche Ernteerfolge auch bei sich vor Augen hat. Die Realität holt uns später ein. Nur selten können wir Hobbygärtner den Pflanzen die optimalen Bedingungen bieten. Das Wetter, der Boden, tierische, pilzliche und andere Schädlinge – sie alle beeinflussen das Wachstum und die Qualität der jeweiligen Ernte. Da können wir uns noch so mühen – es klappt nun mal nicht alles. Außer Acht lassen darf man auch nicht den Hobbygärtner selbst: Krankheit, Vergesslichkeit, Bequemlichkeit und eine Urlaubsreise; auf all das reagiert der Garten – zumeist nicht zum Vorteil der angebauten Pflanzen. Da ich schon ein halbes Jahrhundert in meinem Garten tätig bin, weiß ich, dass es so ist und habe mich damit abgefunden; frei nach dem Grundsatz: was nichts wird, muss ich nicht ernten, somit habe ich mehr Freizeit! Für einen Neuling hingegen kann eine Welt zusammenbrechen, wenn das Bild auf der Samentüte nicht der Ernte in den eigenen Händen entspricht. Die Möhren sind nicht ebenmäßig, sondern haben „Beine“, der Salat bildet keinen schönen Kopf, sondern fängt nach kurzer Zeit schon an zu schießen und die Gurkenpflanzen werden durch den Mehltaupilz dahingerafft, schon bevor die Erntezeit beginnt. Dann ist es wichtig: ärgern darf man sich – aber nicht jetzt schon kapitulieren; lieber die Ursache der Missernte herausfinden und sich für das nächste Mal merken: das Möhrenbeet tiefgründig lockern und Steine herauslesen, schossfeste Salat­sorten bevorzugen und Gurkensorten wählen, die möglichst gegen den falschen und den echten Mehltaupilz resistent oder zumindest tolerant sind – also den Text auf den Samentüten genau lesen.  Wenn man das beachtet, hat man diese möglichen Ursachen schon beseitigt. Gelungene Ernten dagegen sind ein Grund zur Freude, da man anscheinend alles richtig gemacht hat; sie sind nämlich keine Selbstverständlichkeit. Optimal ist es, wenn man einen erfahrenen Hobbygärtner um Rat fragen kann; der hat oftmals einfache Lösungen parat. Auch die Mitgliedschaft in einem Gartenbauverein und der Besuch der dort angebotenen Seminare hilft nicht nur Neulingen, sondern auch „alten Hasen“, Fehler zu vermeiden und Neuigkeiten, die einem zum Beispiel das Leben erleichtern, kennenzulernen.   

Schließlich sagt man nicht umsonst: einen Garten zu haben heißt, ein Leben lang lernen.   

Foto und Text: Manfred Kotters   

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