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Unkraut essen?
Wie, ich soll Unkraut essen? Jetzt sind wohl alle neben der Spur! – So und noch deftiger fallen Antworten auf diesen Vorschlag aus. Als ich das mit dem Essen zum ersten Mal hörte, hab ich auch mehrmals gestutzt, bin dann aber todesmutig zur Tat geschritten. Zugegeben, dieses Material ist mir immer noch suspekt. Wenn es dann zum finalen Kontakt kommt – also es steht halt Wildkraut auf dem Tisch – ist es gar nicht so schlimm. Es ist genießbar. Für andere Mitmenschen sind Leckereien wie Schnecken, Muscheln oder Froschschenkel auch nicht immer die pure Gaumenfreude – es ist halt wie immer Geschmackssache. Welches „Unkraut“ können Mutige und Überzeugte denn so zu sich nehmen? Viele von uns haben schon von Zubereitungen mit Gänseblümchen, Vogelmiere, Löwenzahn, Brennnessel, Taubnessel und natürlich des Gärtners besonderem Feind dem Giersch gehört. Bestimmt haben sie noch andere Spezialitäten zur Auswahl. Nebenbei bemerkt, in England gibt es ein Brennnesselwettessen. Natürlich in rohem Zustand, für die ganz Harten.
Mir reichen die vorgenannten vorerst. Sowohl Gänseblümchen als auch Löwenzahn wachsen sehr häufig auf dem Rasen. Vogelmiere, in manchen Gegenden auch Hingelsdärm genannt, auf Hochdeutsch Hühnerdarm, fühlt sich auf schlecht gepflegten Grünbereichen ebenfalls wohl und macht sich aber auch gern in den Gemüsebeeten breit. Dieses weit verbreitete Unkraut hat gern gut mit Nährstoffen versorgte Flächen. Wie das in unseren Gärten halt nun mal so ist. Auch besitzt es die Eigenschaft bei milden Temperaturen im Winter munter weiter zu wachsen. Nach einer kalten, frostigen Wetterperiode setzt diese Pflanze ab wärmeren Temperaturen wieder zügig mit dem Wachstum ein. Mancher Kleingärtner war schon sehr erstaunt wie stark seine Beete über Winter zuwucherten. Außer den Sachen, die in unserem Garten wachsen, wenn auch meist ungeliebt, gibt es noch etliches draußen in der Landschaft. Ziemlich bekannt ist der Bärlauch. Da dreht die halbe Welt durch, wenn der im Frühjahr austreibt. Einen typischen Duft verströmt auch die Knoblauchsrauke, wenn man die Blätter zerreibt. Generell finden diese ganzen Wildkräuter Verwendung in Salaten, Pestos, Smoothies, Butter- und Käsezubereitungen. Für Rezepte bin ich nicht zuständig. Davon gibt es Tausende Veröffentlichungen.
Ganz wichtig für Wildkrautsammler ist: nur das ernten was man kennt. Auch hier gibt es unbekömmliche Pflanzen. Klassisch ist die Verwechslung von Bärlauch mit Aronstab, Herbstzeitlose oder Maiglöckchen. Schlimmstenfalls essen Sie diese spezielle Pflanze zwei Mal – zum ersten und letzten Mal. Ich bin hier bewusst etwas sarkastisch, denn mir sind solche Vergiftungsfälle bekannt. Glücklicherweise haben die Betroffenen überlebt. Beim Scharbockskraut, was auch gern in Gärten wie ein Teppich wächst, ist es sogar ein wenig kniffliger. Vom Austrieb bis vor die Blüte ist es verträglich. Ab Blüte steigt sein Anteil an schwachgiftigen Inhaltsstoffen. Ich fand in der Literatur folgenden Verhaltenshinweis: „Als Faustregel gilt eine Handvoll Scharbocksblätter pro Tag für einen Erwachsenen. Da jeder Mensch unterschiedlich ist, kannst Du Deine persönliche Menge, welche Du gut verträgst, auch selbst austesten. Dazu die Blätter pur essen und aufhören, wenn der Geschmack unangenehm wird oder der Körper über andere Signale stopp sagt.“ Da bin ich raus aus dem Spiel. Zusätzlich können wir das Scharbockskraut noch mit der giftigen Haselwurz verwechseln. Sammeln Sie grundsätzlich von sauberen Flächen. Damit meine ich nichts von Straßen-, Wald-, Wegrändern, Äckern, Wiesen, Weiden, Weinbergen, Obstfeldern bei denen der Verdacht besteht, dass dort eine „Kack-Line“ ist – bei uns bezeichnet man so eine Strecke auf der Hunde ihren regelmäßigen Stuhlgang hinterlassen. Ebenso finde ich das Sammeln an stark befahrenen Straßen als ungesund. Wir machen uns Mordsgedanken um Umweltverschmutzung. Da sind der Fahrbahnrand und die sonstigen begrünten Verkehrsflächen kein guter Sammelplatz. Sollten sie unsicher sein, ob Flächen mit Pflanzenschutzmitteln behandelt sind – auch wenn zugelassene, richtig angewandte Präparate sie nicht umbringen – gibt es nur eine Vorgehensweise: Finger weg! Gleiches gilt, wenn im Umfeld der Fundstelle organischer Dünger in Form von Gülle, Jauche, Mist ausgebracht wurde. Klar ernten sie nichts von diesen gedüngten Flächen. Jedoch der Geruch zieht noch weiter. Falls Sie im Nachbargarten Ihr Lieblingskraut entdecken, fragen Sie den Besitzer, ob Sie etwas davon haben können und ob da nicht vorher Hunde, Katzen, Kleintiere drauf waren. Auch sollten dort keine Pflanzenschutzmittel, Dünger mit oder ohne Unkrautmittel zum Einsatz gekommen sein. Viele Wildpflanzen sind zum Verzehr geeignet. Nur vor lauter Begeisterung für natürliche Lebensweise und durch viele zweifelhafte Versprechen befeuert – bleiben Sie ruhig. Bedenken Sie, das Sammeln von Wildpflanzen ist nicht unbedingt überall erlaubt. In Schutzgebieten und vor allem auf privaten Flächen. Oft sagt der Bauer nichts bzw. er erfährt nichts von der Sammelaktion. Aber was empfinden Sie, wenn ich mal auf Ihrem Grundstück anfange zu grasen? Äcker, Wiesen und Weiden sind Privatbesitz und kein Allgemeingut. Pflanzen die unter Naturschutz stehen dürfen nicht gesammelt werden. Außerdem gelten Sammelverbote in Naturschutzgebieten. Als Anhaltspunkt gilt: für den Eigenbedarf können Sie sammeln. Vergleichsweise wie bei Pilzen im Wald. In einigen Bundesländern gibt es stramme Geldstrafen bei Missachtung. Um sicher zu gehen, ist es sinnvoll, sich bei den zuständigen Behörden zu informieren (Kreisverwaltung).
Für Wildpflanzenliebhaber, die häufiger in der Natur auf Sammeltour gehen, ist der Fuchsbandwurm ein Begriff. Eine Erkrankung durch diesen Erreger ist kein Spaß. Doch wir in Rheinland-Pfalz haben Glück – bei uns spielt der Fuchsbandwurm keine Rolle. Er kommt vermehrt in Bayern und Baden-Württemberg vor. Wichtig ist, die Ernte gut zu waschen, zu kochen oder zu braten. Einfrieren in der Kühltruhe tötet die Bandwurmeier nicht ab. Die verlieren die Lebenslust erst ab minus 80 °C.
Hans Willi Konrad