Klimawandel: Höre ich mit dem Nutzgarten auf?

„Zeit heißt Veränderung“ sagt man so. Aber es stimmt ja: sowohl die (Obst-)Bäume als auch wir selbst werden älter – die Leistungsfähigkeit nimmt zu und später wieder ab. Die Jahreszeiten kommen und gehen. Alles normal. Doch was in den letzten Jahren mit dem Wetter oder besser: mit dem Klima passiert, das ist nicht mehr normal. Wir hatten in früheren Zeiten immer mal wieder sehr heiße, trockene oder kühle, nasse Sommer, milde oder knackig kalte Winter oder ab und an einen äußerst ungeliebten Spätfrost im Frühjahr. Doch die frühere Normalität gibt es anscheinend nicht mehr und das fordert nicht nur eine große Flexibilität, sondern ebenso eine enorm hohe Frust-Schwelle von uns. Schon die Aussaaten im Garten müssen ständig gewässert werden, da das Frühjahr zu trocken ist; im Sommer bestand meine Gartenarbeit zu 90 % aus Gießen. Trotzdem konnte ich Verluste nicht vermeiden, da zwar die Wurzeln feucht gehalten wurden, die Blätter z.B. von den Pastinaken aber trotzdem bei 40 °C regelrecht verbrannten. Um den Feuchtigkeitsverlust zu verringern, habe ich die frisch gesetzten Grünkohljungpflanzen gemulcht. Prima. Die Erde blieb länger feucht, die Regenwürmer freuten sich, versammelten sich dort, um (sicher ungewollt) den Maulwurf anzulocken, der ja auch nicht verhungern möchte. Bei seiner Wurmsuche drückte er Tag für Tag die Jungpflanzen nach oben – super! Da ich die Grünkohljungpflanzen nicht wurzelnackt, sondern mit Ballen gepflanzt hatte, habe ich mich dazu entschieden, die Maulwurfsgänge nicht mehr zuzutreten, sondern ihm seine Wege zu lassen. Dadurch wurden die Pflanzen nicht ständig bewegt und bildeten tatsächlich Seitenwurzeln und überlebten auf diese Weise. Auch die späten Möhren, die Stangenbohnen oder der Zuckerhutsalat hatten ohne ständige Wassergaben kaum eine Überlebenschance, da mein Garten durchlässigen Sandboden sein Eigen nennt und das Wasser dadurch schnell ver­sickert. Zwar habe ich einen eigenen Brunnen, doch durch die jahrelange Trockenheit und die ständig notwendigen intensiven Bewässerungen der benachbarten landwirtschaftlichen Flächen, ist der Grundwasserspiegel beängstigend zurückgegangen. Als dann noch die Aussaat meines Feldsalates sich immer weiter herauszögerte, da der August aufgrund der Trockenheit nicht zum Aussäen einlud, eroberten solche Gedanken mein Bewusstsein: „Macht das alles wirklich noch Spaß? Lohnt sich die ganze Arbeit? Warum tue ich mir das eigentlich an?“    

Als diese Depri-Tage vorüber waren und sich außerdem die Temperaturen und Niederschläge im September normalisierten und ich sogar den Feldsalat erfolgreich aussäen konnte, kamen peu à peu neue Ideen: „Wie kann ich den Garten verändern, um trotz allem noch Spaß daran zu haben und weiterhin ernten zu können?“ Also bin ich gedanklich mal durch meinen Garten spaziert und habe Beet für Beet geschaut, wo meine Unzufriedenheit denn überhaupt herrührt. Dann habe ich mir ein paar Veränderungen überlegt: statt den späten Möhren, säe ich im neuen Jahr nur noch welche mit kurzer Kulturdauer (z.B. „Jeanette F1“, „Sugarsnax F1“, „Frühe Amsterdam 2“), so muss ich nicht auf Möhren verzichten, aber auch nicht den ganzen Sommer über bewässern. Statt Stangenbohnen, die lange zu beernten (aber auch zu gießen) sind, gibt’s Buschbohnen, die ich bereits Anfang Mai in Pappröhren vorziehe, um sie noch eher ernten zu können und so der Sommerhitze etwas aus dem Wege zu gehen. Spinat, Stielmus, Radieschen und Kopfsalat werden früh gesät bzw. gepflanzt und haben recht kurze Kulturzeiten; so müssen sie nicht den heißen Sommer überstehen – sie bleiben! (Übrigens: Anfang bis Mitte September gesäte Radieschen wachsen in den zumeist feuchteren Herbst hinein und sorgen noch für eine gute Ernte). Erbsen stehen wohl länger auf dem Beet, aber nicht den gesamten Sommer über, da sie im Juni geerntet werden; sie bleiben, da sie einfach zu lecker sind. Was auf jeden Fall bleibt, sind die Freilandgurken und Zucchini, da diese zwar gegossen werden müssen, aber Ernten über eine längere Zeit ermöglichen und sie zudem Sonnenliebhaber sind. Bei diesen oftmals hohen Temperaturen nehme ich Sorten, die laut Hersteller­angaben resistent oder zumindest tolerant gegen Mehltau sind (z.B. Gurken: ‚Diamant F1‘, ‚Klaro‘, ‚Marketmore‘, ‚Zircon F1‘; Zucchini: ‚Soleil‘, ‚Mastil‘, ‚Leila F1‘). Außerdem gieße ich nur mit abgestandenem Wasser, da ansons­ten der Temperaturunterschied zwischen dem Boden und dem kalten Wasser zu extrem für die Gurken und Zucchini wäre. Dazu fülle ich nach dem Gießen die entsprechenden Gießkannen sogleich auf, so dass sie sich den Außentemperaturen anpassen können. Zum Glück sind etliche Gewürze wie Rosmarin, Salbei, Thymian oder mein kriechendes Bohnenkraut aus dem mediterranen Bereich und freuen sich über Wärme, viel Licht und wenig Wasser. Das Gewächshaus mit Tomaten, Paprika und Basilikum bleibt wie es ist, da dort sowieso Wasser künstlich zugeführt werden muss und diese Gemüse von den heißen Sommern eher profitieren. Da das Gewächshaus in Nord-Südrichtung gebaut wurde, bekommt die westliche Dachfläche im Sommer einen Kalkanstrich. Auf diese Weise kann die Sonne immer noch genügend Licht hineinbringen, nur die starke Strahlung am Nachmittag wird begrenzt. Auf diese Weise vermeide ich zu hohe Temperaturen und eventuellen Sonnenbrand bei den Früchten. Schweren Herzen verzichte ich aber auf solche Gemüsearten, die lange bemuttert werden müssen, aber nicht laufend beerntet werden können: Zuckerhutsalat, Pastinaken, Zuckermais und (eventuell – ich überlege noch) Grünkohl. Auch bei den Kartoffeln bin ich noch hin- und hergerissen, ob ich sie noch anbaue. Wenn ja, dann aber nur Frühkartoffeln, da sie zwar rasch geerntet werden können, allerdings nicht lagerfähig sind. Vielleicht die ‚Annabelle‘, da sie eine kurze Kulturzeit hat und im Juni aus der Erde kann. Den Feldsalat säe ich erst Mitte August bis Anfang September, also zumeist nach der größten Sommerhitze. Er wächst im Herbst und Winter. Zwar werden die Pflanzen durch die mittlerweile immer milderen Temperaturen vermehrt durch Pilzkrankheiten und Raupenfraß geschädigt, aber er ist mir in der dunklen Jahreszeit wichtig; zudem gehört er, wenn man sich die Preise auf dem Markt mal ansieht, zum ­Luxusgemüse.   

Da nun aber in meinem Garten nicht mehr alle Beete mit Gemüse bestückt werden, unterstütze ich die Insektenwelt und säe bzw. pflanze blühende Gewächse, die nicht so trockenheitsempfindlich sind wie Kugeldisteln, Hauswurz oder andere Dickblattgewächse. Je mehr ich mich nun mit dem Thema beschäftige, desto mehr Nutzgartenvorteile kann ich erkennen. Da mit immer weiter steigenden Lebensmittelpreisen zu rechnen ist, habe ich durch mein eigenes Gemüse sogar ein Einsparpotential und auch die bisherigen Vorteile wie Frische, schnelle Verfügbarkeit und entfallende Transportwege verschwinden ja nicht durch die Folgen des Klimawandels.  

Da mittlerweile diese positiven Gedanken vorherrschen, freue ich mich wieder auf das Frühjahr, um (fast) gewohnt zu auszusäen und dann zu sehen, wie alles gedeiht. Innerlich habe ich mich trotz allem auf weitere Verluste eingestellt und mir vorgenommen, mich noch mehr über das zu freuen, was tatsächlich gelingt und die Früchte aus dem Garten noch mehr wertzuschätzen. Hoffentlich überdauert ­diese Einstellung auch den nächsten ­Trockensommer.                 

Manfred Kotters    

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