Warum sind blaue Blumen in Deutschland selten?

Im Herbst und Winter nehmen sich Gartenfreunde meist die Zeit, um Beete neu zu planen. Sie machen sich zum Beispiel Gedanken darüber, wie unterschiedlich sich mehrjährige Stauden in Verbindung mit in Polstern wachsenden winterharten Pflanzen in die Beetlandschaft farbig und für das Auge abwechslungsreich gestalten lassen.   

Manchmal fällt ihnen dabei auf, dass – obwohl Blau weltweit die Lieblingsfarbe vieler Menschen ist – blau blühende Pflanzen in der Natur eher selten vorkommen.  

Blaue Blumen, mit anderen in einen Blumenstrauß eingebunden, vermitteln oft eine Frage des Schenkenden nach Treue und Romantik.   

Sie geben als Bodendecker in einem Blumenbeet den anderen Blumen scheinbar einen Halt, vermitteln im Fall von Solitärpflanzen, wie dem Rittersporn, den Willen nach unbegrenzter Freiheit oder locken, wie der im Naturschutz stehende Enzian, zu einem Abenteuer in die Ferne.  

Ein internationales wissenschaftliches Forschungsteam um die Bayreuther Ökologin Professorin Dr. Anke Jentsch untersuchte aktuell, warum und welche blauen Blumen selten sind.   


Die Grundlage der Forschung  

Die Daten, die für eine Auswertung erforderlich waren, stellte die weltweit größte Datenbank pflanzlicher Eigenschaften, die TRY Plant Trait Database, zur Verfügung. Das Forschungsteam trug eine Vielzahl von bekannten Erkenntnissen zur Farbe Blau in der Welt der Blütenpflanzen zusammen und ergründete wie sich Gemeinsamkeiten auswirken.  


Welche Blumen in Deutschland blühen in der Farbe Blau?  

Es wurde bekannt, dass nur rund gerechnet sieben Prozent aller Blütenpflanzen weltweit vom menschlichen Auge als blau wahrgenommen werden. Die in Deutschland bekanntesten blauen Blumen sind Akelei, Vergissmeinnicht, Iris, Blaue Astern, Orchideen, Glockenblumen, Hortensien, Rittersporn, Eisenhut, Ehrenpreis und das Kleinblättrige Immergrün Vinca minor. Am Feldrand und in Getreidefeldern blühen die blauen Kornblumen. Eher selten ist der naturgeschützte blaue Enzian zu finden.   


Bienen fliegen auf blaue Blüten   

Schon lange ist bekannt, dass die für die Fortpflanzung vieler Blumenarten unentbehrlichen Insekten, Vögel und Fledermäuse für andere Farbspektren empfänglich sind als die Menschen. Das menschliche Auge enthält drei Typen von Fotorezeptoren, die auf rotes, grünes und blaues Licht reagieren.   

Bienen nehmen zum Beispiel, so die Wissenschaftlerin Dr. Anke Jentsch, Blautöne umfassender wahr als Menschen.   

Ihre Sehorgane sind für rote Farben wenig empfänglich und sie können nur unzureichend zwischen gelb und weiß unterscheiden. Bienen nehmen ebenfalls Farbmuster aus dem ultravioletten Bereich wahr.   

Dr. Anke Jentsch ist davon überzeugt, dass die Bestimmungsbücher für Insekten eigentlich aus ökologischer Sicht umgeschrieben werden müssten, denn in den Standartwerken von Charles Darwin und Carl von Linné wird zur Unterscheidung von Pflanzenarten die menschliche Wahrnehmung von Blütenfarben herangezogen. Und das, obwohl nicht die Farbwahrnehmung der Menschen, sondern die Interaktion der Pflanzen mit den Bestäubern für die Evolution relevant ist.“  


Ein Unterschied in der Bestäubung der blauen Blütenpflanzen in Europa  

Ein Unterschied in der Bestäubung der Pflanzen legt die Vermutung nahe, dass die Farbwahrnehmung der bestäubenden Organismen relevant ist. Im Verlauf der Evolution beeinflussten die Blütenfarben die Art der Bestäubung von Pflanzen wesentlich.   

Deshalb lohnt es sich, der Frage nachzugehen, wie die Blüten von ihren jeweiligen Bestäubern wahrgenommen werden und welche Interaktionen dadurch ausgelöst werden“, sagt Prof. Dr. Anke Jentsch, Professorin für Störungsökologie an der Universität Bayreuth.   

Demnach stellte sich heraus:   

  • Unter den Pflanzenarten, die hauptsächlich von Wind und Regen bestäubt werden, gibt es so gut wie keine, die blau blühen.  
  • 7,5 Prozent aller blau blühenden Blütenpflanzen, werden vor allem von Insekten oder Vögeln bestäubt.  


Ein Wettbewerbsvorteil für Blütenpflanzen  

Die Anziehungskraft der Farbe Blau für die Bienen wirft die Frage auf, weshalb nur vergleichsweise wenige der von Insekten und Vögeln bestäubten Pflanzenarten blaue Blüten entwickelt haben.  

Die Forscher*innen sind der Meinung, das die Produktion einer blauen Blütenfarbe für Pflanzen sehr aufwendig ist. Diesen hohen Aufwand betreiben nur solche Arten, die sich in einem harten Wettbewerb um Bestäuber durchsetzen müssen. Das sei zum Beispiel in einigen Hochlagen von Gebirgen wie in den europäischen Alpen oder im Himalaja der Fall. Hier seien die klimatischen Lebensbedingungen für Insekten und andere Bestäuber besonders unfreundlich. Für Blütenpflanzen wiederum, die in sehr artenreichen Wiesen und Weiden heimisch sind und oftmals auf nährstoffarmen Böden überleben müssen, stellen blaue Blüten ein wichtiges Überlebenssignal dar: In der Konkurrenz mit anderen Arten in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft sind sie besonders auffällig, so dass Bestäuber auch aus größerer Entfernung angelockt werden.  


Blaue Blumen sind in Gefahr   

Die Wissenschaftler*innen warnen davor, dass der Flächenschwund in Wildnis- und Kulturlandschaften sowie die Intensivierung der Landwirtschaft in vielen Fällen zum Insektensterben beiträgt und den ohnehin niedrigen Anteil blauer Blütenpflanzen noch weiter verringert. Der Einsatz von Kunstdünger, häufiges Mähen und eine intensive Weidewirtschaft gehen demnach ebenfalls zulasten artenreicher Vegetationen. Demnach besteht nach Meinung von Dr. Justyna Giejsztowt aus Neuseeland, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Störungsökologie in Bayreuth, die Gefahr, dass blaue Blumen fast ­gänzlich aus dem Landschaftsbild verschwinden.                       

Monika Hermeling   

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