Kunst im Garten

Da „Kunst“ von „Können“ kommt, ist es meiner Meinung nach nicht vermessen, zu behaupten, dass viele Hobbygärtner und -gärtnerinnen waschechte Künstler sind. Nein? Na, dann schauen Sie sich mal so manche Vorgärten an. Da kann man überraschende Farb-Arrangements und, wenn man nähertritt, auch Duft-Kompositionen erleben. Handwerklich und künstlerisch ist hier ein lebendiges Kunstwerk unter Zuhilfenahme von Hacke, Schaufel und lebenden Pflanzen entstanden, das in seiner Gesamtheit wirkt und sich im Laufe der Jahre, wie auch der Jahreszeiten, stetig verändert.   

Doch auch tote Gegenstände können den Garten naturgemäß prägen: markante Baumstämme oder urige Stumpen passen zu vielen Gartenarten. Sie wirken sowohl für sich allein als auch dezent bewachsen. Andere Gartenbesitzer wollen ihren Sinn für Humor zum Ausdruck bringen, indem sie mehr oder weniger lustige Figuren in ihre Kulturen platzieren. In dem Sinne: „Mein Garten zaubert dem Betrachter ein Lächeln ins Gesicht.“ Das müssen jetzt nicht zwingend die Gartenzwerge sein, der Markt bietet da eine unbegrenzte Vielzahl an Möglichkeiten. Je nach Sichtweise wird allerdings gelegentlich die Grenze zum Kitsch überschritten. Wie im normalen Leben gilt aber auch hier: erlaubt ist, was gefällt! Wer eine ausgeprägtere Ader für Kunst und das nötige Kleingeld hat, der lässt sich von einem namhaften Künstler eine Installation montieren. Das muss nicht unbedingt abgehoben wirken; viele solcher Kunstwerke stehen passgenau in der richtigen Umgebung. Man sieht: Kunst ist Geschmacksache und jeder ist nun mal mit einem anderen Geschmack ausgestattet.   

Von Vorteil ist es allemal, wenn Gartenbesitzer und Künstler eine Person oder ein zusammengehörendes Paar sind. Wenn der weibliche Part sich zum Beispiel um die Pflanzen kümmert und er für sein Leben gern etwas Figürliches schweißt oder umgekehrt er in den Beeten wühlt und sie aus ihrer kleinen Töpferei immer mal wieder außergewöhnliche Hingucker beisteuert. Ich habe das Glück, in so einer Beziehung zu leben; wobei meine Frau Kirsten ihre Zeit neben ihren Blumenbeeten auch in ihrem Atelier und ihrer Werkstatt verbringt und ich der Gartenfreak bin. Dabei hat sie sich nicht auf ein Material festgelegt, sondern gestaltet je nach Lust und Laune mal mit Holz oder Metall, mal mit Pappmaché und mal mit Pinsel und Farbe. Da nicht alle Kunstwerke haltbar sind, ändert sich das Gesicht unseres Gartens ständig – und das nicht nur durch den Lauf der Jahreszeiten! Zu den beständigen Werken gehören die Malereien an den Pfosten für die Wäscheleine und ihre „Buntstifte“, die sie vor einigen Jahren aus angespitzten, runden Pflanzpfählen gemacht hat; diese sind immer gut für ein: „Wo hast Du denn die her?“   

Die aus Draht gebogenen Skulpturen halten jahrelang, da sie dem Wind wenig Angriffsfläche bieten. Anders dagegen sieht es bei manchen Holzfiguren aus, die entweder durch den Zahn der Zeit mürbe werden oder die ein Sturm zuweilen schon mit einer einzigen Böe in Kleinholz zerlegt. Insbesondere die Figuren in der Machart von Tom Fedro haben durch solche Naturgewalten schon einige Male stark gelitten. Wie reagiert meine Frau auf solch eine Zerstörung ihrer Arbeit: „Na, dann haben wir ja wieder Platz für Neues!“ Etwas gewagter sind da ihre Nana-Figuren, inspiriert von der Künstlerin Niki de Saint Phalle. Ab und an können wir irritierte Gesichtsausdrücke sehen, wenn wir mit Bekannten durch den Garten spazieren und an so einer Figur vorbeikommen. Die Kommentare fallen oftmals so aus: „Ja, schön. Ach, wer für so was ist…“ Es gilt hier eindeutig: nicht alles muss jedem gefallen.   

Außerdem (was sicherlich viele kennen): weggeworfen wird nichts – man könnte es ja noch irgendwann mal benötigen oder es eben in ein Kunstwerk verwandeln. So hat meine Frau aus dem Vorgänger ihres E-Bikes mittels Farbe und Kunstblumen einen optischen Stolperstein auf die Terrasse gestellt, der zwar nicht mehr fahrbereit dafür aber recht abgefahren wirkt. Ein weiteres Beispiel der „Resteverwertung“: nachdem unser großer Buchsstrauch gerodet war und mit seinen gekürzten Stämmen und nackten Wurzeln vor ihr lag, erkannte sie sogleich das darin schlummernde Potential. Sie kappte die Stämme soweit, dass sie die gleiche Länge hatten und als Unterbau dienen konnten. Dann drehte sie den Ex-Strauch derart um, dass die Wurzeln in die Luft ragten. Aus diesem Wurzelgewusel formte sie ein Nest und legte dort Tonvögelchen und Kunststoffeier hinein. Alles sah aus, als wenn es schon immer so gewesen sei. Dass es täuschend echt wirkte, merkten wir schon am nächsten Tag: Vögel, wir vermuteten Elstern, hatten die Eier aus dem Nest geholt und zerhackt. Nun nahm meine Frau eiförmige Kieselsteine als Ersatz – diese sind einerseits haltbarer und andererseits vogelfreundlicher. Ein stilisiertes Gesicht aus Porenbeton baumelt noch an den dickeren Wurzeln. Dadurch haben sie plötzlich eine Doppelfunktion: mal als Nest und mal als Frisur „Out of bed“.   

Anfangs war diese Symbiose von Natur und Kunst in unserem recht weitläufigen Garten für viele gewöhnungsbedürftig. Doch je mehr Zeit wir nach dem Motto lebten: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“, des­to stärker wird das Außergewöhnliche bei uns zur Normalität. Mittlerweile wird sogar schon nachgefragt, was es denn Neues zu ­sehen ­gäbe.                                              

Manfred Kotters   

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