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Einen naturnahen Garten und die Person die ihn bearbeitet, verbindet eine sehr enge, fast unlösbare Beziehung, die dennoch Regeln hat und immer verschiedene Bedingungen benötigt. Der Garten alleine würde innerhalb kürzester Zeit vollkommen verwildern. Hier würde nur das wachsen, was die Natur von sich heraus bestehen lässt. Aus Sicht des Gärtners und natürlich auch seiner Mitstreiter innerhalb einer Gartenanlage kann das eigentlich nicht gewollt sein. Wir nennen solche Gärten daher ja auch nicht Naturgärten, sondern ganz bewusst naturnahe Gärten.
Andererseits nützt es überhaupt nichts, wenn ich in einem Baumarkt mir nur ein grellbunt lackiertes Insektenhotel mit falschen Bohrlöchern bzw. unpassendem Füllmaterial kaufe und im Garten aufhänge und dann glaube, das sei der Einstand zu einem naturnahen Garten. Dafür muss schon etwas mehr geschehen. Sinnvoll ist es, im Vorfeld nachbarschaftliche Konflikte zu vermeiden, die rasch zwischen beiden Parteien (also naturnah oder nicht-naturnah) entstehen können. Wie weit der Einzelne damit gehen möchte, ist ihm weitgehend selbst überlassen. Fest steht nur, dass man sehr viel machen kann.
Je mehr Elemente aus dieser Aufstellung übernommen werden, desto schneller wandelt sich der Garten zu einem naturnahen Garten. Mit nur wenigen Ausnahmen sind dies Punkte, die jeder Pächter in seinem Garten einbringen kann, ohne dabei die Rechte und Pflichten des Bundeskleingartengesetzes und die Richtlinien der Gartenordnung der BLW zu verletzen.
Bei dem einen oder anderen Punkt besteht die Gefahr, dass der Garten verwildert, weil er zu großzügig ausgelegt wird.
Anlegen einer Blühwiese: Das ist einerseits eine fachliche Herausforderung, denn der Einbau und besonders die Pflege erfordern besondere Fachkenntnisse. Dann kommt es darauf an, wie groß solch eine Fläche ausfällt. Nimmt sie den größten Teil des Gartens ein, ist das sicherlich nicht richtig, weil weitere Kulturflächen dadurch einfach entfallen und der Garten weitgehend aus einer Monokultur besteht. Ein Tatbestand, der so unter keinen Umständen von der BLW gewollt ist. Andererseits sind zu klein geratene Blühwiesen wirkungslos und noch schwieriger zu pflegen. Saatgut für Blumenwiesen werden überall angeboten, teilweise sogar als kostenloser Werbeträger. Ob das immer Sinn macht, ist fraglich. Insekten und besonders unsere Wildbienen sind auf Blumenwiesen angewiesen, und wenn wir von ihnen den Nutzen als Bestäuber haben wollen, dann müssen wir ihnen Futter, Schlaf und Nistplätze bieten. Diese müssen artgerecht, abgestimmt und beständig sein. Das kann regional sehr unterschiedlich sein. Es gibt in Deutschland mehrere Firmen, die regional passendes Saatgut zusammenstellen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass eine Blumenwiese nicht in einen Schrebergarten gehört, der im Durchschnitt „nur“ eine Größe von 300–400 Quadratmeter aufweist.
Im Kleingarten haben wir keine Wiesen und außerhalb der Gärten fehlt oftmals der Platz. Deshalb brauchen wir uns dazu eigentlich keine Gedanken zu machen. Ein Garten ist ein kultiviertes Stück Land, im Gegensatz zur Landwirtschaft (Wiese) wird der Garten intensiv bewirtschaftet. Es gibt nicht wenige, die von Frühjahr bis Herbst bald jeden Tag in ihrem Garten wirtschaften.
An dieser Stelle könnte man über Blühstreifen nachdenken. Für unsere Kleingartenanlagen gibt es trotzdem Dinge, die dem nahe kommen, denn wir können Blühstreifen entlang der Hauptwege anlegen. Vielleicht sogar Rotklee und anderes einsäen, um der Blühfreude etwas nachzuhelfen. Ferner gibt es Gräser/Staudenzusammensetzungen, die eine natürliche Begrenzung z.B. zwischen Nachbargrundstücken bewirken. Auch öffentliche Sitzplätze innerhalb einer Gartenanlage sowie Freiplätze rund um Gemeinschaftsgebäuden würden sich eignen.
Zugeständnisse könnte man auch beim Rasenmähen im eigenen Garten machen. Wenn im Frühjahr Gänseblümchen, Günsel, Löwenzahn oder Gundermann blühen, sollte man den Rasen nicht gleich mähen, sondern warten bis diese Wildkräuter abgeblüht sind, Dann hat der Rasen zwar nicht die Wunschhöhe, aber die Insekten hätten eine verlängerte Futterperiode.
Man könnte auch darüber nachdenken, ob es wirklich Sinn macht, auch noch das letzte Wildkraut aus den Fugen eines Gartenweges auszukratzen oder es doch besser stehen zu lassen. Eines der unbeliebtesten Wildräuter für den Gärtner ist die Brennnessel. Trotzdem sollte man welche stehen lassen und damit eine wilde Ecke im Garten „kultivieren“.
Solange man diese Fläche unter Kontrolle hat ist sicherlich alles okay, denn eine Vielzahl unserer heimischen und stark bedrohten Schmetterlingsarten sind von dieser Pflanze abhängig. Zudem gibt es viele Doldenblütler wie die wilde Möhre, wilder Dill und Fenchel und sogar der noch unbeliebtere Giersch, denen ein kleiner Platz im wilden Eck gewährt werden sollte. Monokulturen mit derartigen Pflanzen stehen natürlich außer Frage und können auch nicht geduldet werden.
Die Blühfläche in einer Schrebergartenanlage im Bezirk Hamburg, die im Heft 09/22 des Eisenbahn-Landwirts vorgestellt und von der Jury der Aktion “Tausende Gärten – Tausende Arten” mit einer Goldmedaille prämiert wurde, stellt zwar für die tierischen Bewohner einen guten Lebensraum dar, entspricht aber leider nicht den Regeln. Hier geraten zwei Parteien in einen Interessenskonflikt, der nur einseitig erfüllt und seitens der BLW eher nicht gewünscht wird. Der Bezug des Wettbewerbs zu unseren BLW-Kleingartenanlagen ist der, dass es sich in unserem Fall, für den wir Fachberater sprechen, um kleine Gärten handelt, in denen auch Obst und Gemüse und Blumen angebaut werden müssen. ‚Naturgarten‘ ist deshalb ein unglückliches Wort, weil es täuscht. Der Bericht über den preisgekrönten naturnahen Garten im Eisenbahn-Landwirt 9/22 erweckt evtl. den Eindruck, dass wir nur alle Neune gerade sein lassen brauchen und schon käme ein Kleingarten dabei heraus, der nur so brummt vor Insekten und zwitschert vor Singvögeln und trotzdem Garten bleibt. Ein Kleingarten bzw. bestimmte Flächen darin, die sich selbst überlassen bleiben, verwildern aber sehr schnell – da reichen ein bis zwei Jahre. Gräser, Baumtriebe, Hopfen, Brombeeren und sich versaamende Pflanzen und/oder Wurzelausläufer bildende Kräuter (Brennessel, Giersch) „machen den Garten fertig“. Es wird Jahre dauern, einen derartigen Garten im Sinne der BLW wieder urbar zu machen – das bedeutet viel Mühe und Arbeit. Solch ein Garten provoziert auch, weil so gut wie nichts gemacht wird und die Insekten hier trotzdem so schön fliegen. Er stört des Weiteren die angrenzenden Nachbarn, weil Giersch und Quecke an der Grenze nicht Halt machen und die so schön gelb blühenden Goldruten sich üppig vermehren oder weil der Pächter mit Freuden dem Wachsen der Wildtriebe zugeschaut hat und jetzt viele meterhohe Bäume von Akazien, Weiden, Nussbäumen oder dem weitverbreiteten Götterbaum (Ailianthus) in seinem gepachteten Garten hat. Im Kleingartenverein ist es also wichtig, die kleingärtnerische Nutzung und die Pflege des Gartens mit einer Gestaltung in Einklang zu bringen, die auch für die Artenvielfalt zuträglich ist. Der Kleingarten ist ja schließlich ein Nutzgarten und kein Naturschutzgebiet mit Urwald. Es gilt also, einen Kompromiss zu finden, der den kleingärtnerischen Regeln genügt.
Nachdem sich herumgesprochen hat wie wichtig Totholz im Garten ist, glaubt der eine oder andere Pächter, er könnte auf Dauer alles was jemals an Holz und Bäumen (auch Bauholzreste) geschnitten wurde in seinem Garten lagern. Dem ist natürlich nicht so.
Totholz im Garten bietet Unterschlupf und Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Von Mäusen wie die Spitzmaus, über Insekten, Amphibien, Reptilien – all diese Tiere kommen hier vor. Und wenn man Glück hat, siedeln sich sogar seltene oder gar bedrohte Tierarten an, wie z.B. die schwarze Holzbiene.
Einige Äste, die z.B. beim Baumschnitt anfallen, kann man sehr gut als Haufen in einer Ecke des Gartens, wo sie nicht im Weg liegen, ablagern. Das können unterschiedlich dicke Äste sein, auch Stämme. Eine gute Durchmischung ist von Vorteil, weil einige Tiere dickere Äste als Lebensraum bevorzugen. Die kräftigeren Stämme verrotten auch nicht so schnell und bieten somit längere Zeit einen Raum zum Leben. Bereits stark verrottetes Astmaterial sollte jedoch nicht mehr aufgeschichtet werden. Auch eine Baummumie, solange sie sich nicht zum Gefahrenbaum entwickelt, darf stehen bleiben.
Steinhaufen im Garten sind fast ebenso wichtig. Sie sollten aber ausschließlich aus Naturstein bestehen und keineswegs mit Beton oder Bauabfällen vermischt sein. Steinhaufen sind ein gutes Rückzugsgebiet und Überwinterungsplatz für Eidechsen, Reptilien, Molche, Frösche, Kröten usw. Kantiges oder plattenförmiges Steinmaterial ist für die Fauna besser geeignet als rundes. Die eingeplanten Steinflächen sollten getrennt von einander liegen und nicht zu groß sein. Im Sommer heizen solche Flächen den Garten unnützer Weise nämlich sehr stark auf. Ferner sollten sie aus optischen Gründen nicht zu hoch aufgebaut sein, denn zudem trägt das enorme Gewicht zur Bodenverdichtung bei.
Die Vielzahl der Organisationen, Institute, Vereine und Veröffentlichungen, die sich mit dieser sehr wichtigen Thematik befassen, ist sehr groß und für die Umwelt eingedenk des bestehenden Klimawandels ungemein wichtig. Die einzelnen Interessen derer, die sich damit befassen, können dabei sehr unterschiedlich sein. Alle haben aber vermutlich das gleiche Ziel. Wie sagt man so salopp „der Weg ist das Ziel, aber wir laufen nicht alle den gleichen Weg“.
Die vorliegende Beschreibung zu einem naturnahen Garten entspricht den Richtlinien der BLW und wurde in Zusammenarbeit von drei Gartenfachberatern aus den Bezirken Saarbrücken, Berlin und München erstellt. Ziel ist es, bundeseinheitliche Richtlinien und Vorschläge zu diesem sehr komplexen Thema zu erstellen.
Zur Zeit ist es so, dass wir bundesweit noch drei sehr unterschiedliche Bewirtschaftungsformen bei den Gärten der Bahnlandwirtschaft haben:
Ähnlich wie die Lebensmittelindustrie seit Jahren versucht, uns Endverbrauchern in Form einer Ampel zu erklären wie wertvoll und nahrhaft ihre Produkte sind, ließe sich solch eine Ampel auch ganz einfach auf die oben aufgeführten Bewirtschaftungsformen übertragen:
Ihr Peter Hagen