Pflanzliche Findlinge

Wann ist der Zeitpunkt gekommen, eine Pflanze zu entsorgen?  

Im Laufe der Jahre haben sich zuhause zahlreiche Pflanzen angesammelt, die mir zufällig über den Weg gelaufen waren. Nicht immer stehen die Töpfe, denen jemand überdrüssig ist, neben den Müllcontainern. Manchmal wurden sie direkt auf dem Gehsteig dem Schicksal überlassen. Ein Fund jüngerer Zeit waren zwei größere Palmfarne, Cycas revoluta, die schon die bei älteren Exemplaren typischen Stämme aufwiesen. Sie waren vorsorglich ausgetopft worden, vermutlich wurde der Wert der Töpfe höher eingeschätzt als jener der Pflanzen selbst. Man muss nicht unbedingt ein Pflanzenexperte sein, um in etwa abschätzen zu können, welchen Wert solche Pflanzen haben. Ein kurzer Besuch im Gartencenter könnte hier schnell für Aufklärung sorgen. Und spätestens dann wäre eventuell noch ein günstiger Verkauf über Second-Hand-Portale in Betracht gezogen worden.   

Was in solchen Leuten vorgehen mag, die ihrer Pflanzen überdrüssig werden? Die zwei Palmfarne waren für mich das vielleicht ‚schockierendste‘ Erlebnis mit aufgegebenen Pflanzen. Einfach auch, weil diese Pflanzen in Kultur sehr alt werden können.  

Ein anderes schon alt gewordenes Exemplar konnte noch aus dem Müllcontainer gerettet werden. Es handelte sich um ein spektakuläres Exemplar eines Stechenden Mäusedorns, Ruscus aculeatus. Auch diese Pflanze ist von Natur aus sehr langsam wachsend, der Findling war vor Jahren schon in einen Metallkübel gepflanzt worden. Der Grund des Entsorgens dürfte die Präsentation der Pflanze und ihres Kübels gewesen sein: letzterer machte optisch wohl nicht mehr viel her. Die Pflanze hatte sich richtig in diesem Gefäß festgesetzt, an ein Austopfen war nicht zu denken. Es musste ein Seitenschneider her, um das Behältnis zu entfernen. Glücklicherweise war ein ausreichend großer Plastik­kübel zur Hand und das Umtopfen ging dann relativ schnell vonstatten.   

Sowohl Cycas als auch Ruscus stellen keine großen Ansprüche an das Substrat, ein käufliches Substrat ist ausreichend. Die Zugaben von Sand oder Kies verbessern den Wasserabzug. Und gelegentliche Düngergaben machen die Pflege eigentlich recht einfach.   

Letzteres triff auch auf die Schusterpalme, Aspidistra elatior, zu. Auch hier konnten zwei Exemplare, die fast den Trockentod gestorben wären, gerettet werden. Etwas neue Erde und kräftig angegossen, wurden im Laufe der Zeit wieder neue Blätter geschoben. Auch diese Pflanze ist eigentlich kaum tot zu kriegen, doch es scheint, als wäre die extreme Anspruchslosigkeit noch etwas zu viel Pflege für die geplagten Mitmenschen. Da fehlte wohl die Zeit, den Pflanzen etwas Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.  

Die aus meiner Sicht am häufigsten aufgegebene und auf eine Mitfahrgelegenheit wartende Pflanze, ist Aeonium, das Rosettendickblatt. Ich hatte die Pflanze im Januar-Heft schon vorgestellt. Die Blüte dieser von den Kanarischen Inseln stammenden Pflanze ist spektakulär und erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem die heimische Flora nichts Vergleichbares vorweisen kann. Umso mehr erstaunt es, dass Leuten das Interesse an dieser Pflanze abhanden kommt und man sie nur noch loswerden will. Es ist schwierig, nach einleuchtenden Gründen zu suchen. Das Einzige, was mir hier in den Sinn kommt, ist eine gewisse Brüchigkeit der Äste, so dass die Pflanze eventuell an Fülle verliert und etwas verkahlt.   

Dass auch ‚ganze Familien‘ ihrem Schicksal überlassen werden, durfte ich bei Aloe vera miterleben. Auch hier war ein Topf mit zahlreichen Pflanzen einfach auf dem Gehweg hinterlassen worden. Diese in der Hautpflege gerne verwendete Pflanze hat eine gewisse Tendenz, von selbst für Nachkommen zu sorgen, so dass im Laufe der Zeit (Jahre) ein dichtes Aloe vera-Knäuel entstehen kann. Wenn gelegentlich für Ordnung gesorgt wird, dann dürfte dieses Problem nicht entstehen. Selbst, wenn sich dann mal ein Knäuel gebildet hat, ist die Lösung einfach: aus dem Knäuel lassen sich sehr viele einzelne Pflanzen gewinnen, die gerne als Geschenke weitergereicht werden können.  

Die vorerst letzten Findlinge waren zwei armstarke Aststücke eines Geldbaumes, Crassula arborescens. Beide Pflanzenstücke befanden sich noch im blühenden Zustand und als erste Rettungsmaßnahme wurden die Blüten entfernt. Die Basen der Stämme wurden nachgeschnitten und an den Rändern mit einem Messer etwas abgerundet. Anschließend erhielten die Schnittstellen noch eine Abdeckung mit feinem Holzkohlepulver. Es wurde noch einige Tage gewartet, bis die Schnittflächen abgetrocknet waren. Anschließend wurden die beiden Aststücke in Töpfe überführt. Diese Töpfe wurden nicht zu groß gewählt, denn es geht in erster Linie um die Wurzelbildung. Hinzu kommt, dass diese sukkulente Pflanze gut mit kleinen Gefäßen zurechtkommt. Ich werde bestimmt in Kürze über ‚neue‘ Findlinge berichten können.                  

Thomas Bay   

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