Überraschung – Unverhofft kommt oft!

Einmal Buchhalter – immer Buchhalter – irgendwie sitzt das in mir drin. Nicht nur im früheren Beruf, sondern auch zu Hause (z.B. Foto in der Tür vom Geschirrschrank, damit man weiß, wie alles eingeräumt werden soll) und natürlich im Garten. Excellisten für den Gartenplan, den Aussaatzeitpunkt und dazu noch eine Umrechnungstabelle, aus der ich für etliche Obstsorten ersehen kann, wie viel Saft zum Beispiel aus einer bestimmten Menge Beeren kommt, wenn sie im Dampfentsafter verarbeitet werden. Planung ist eben alles!   

Deshalb wird mein Gewächshaus nicht einfach im Frühjahr voll gepflanzt, sondern ich überlege schon bei der Anzucht, wie viele Pflanzen dort in den Boden kommen. Für Tomaten und Paprika habe ich jeweils ein Beet der Größe 1,00 × 3,60 m vorgesehen, am Kopfende dazwischen kommt Basilikum, weil ich festgestellt habe, dass die Tomaten, wenn die Paprikaanscheinend negativ beeinflussen, wenn diese direkt daneben stehen. Mitte Mai stehen zwölf Paprika- und sechs Tomatenpflanzen auf den Flächen. Sechs Tomatenpflanzen hört sich zwar für die diese Flächengröße wenig an, aber da ich schon bei der Anzucht einen der unteren Geiztriebe stehen lasse, wird aus diesem quasi ein zweiter Stamm, der ja auch seinen Platz benötigt. Wenn man so will, habe ich also im Endeffekt statt der sechs, zwölf Tomatenpflanzen.   

Zu meinem Standardprogramm gehören alljährlich die Sorten „Golden Pearl“ (gelbe Kirschtomate), „Philovita“ (rote Kirschtomate) und „Picolino“ (rote Cocktailtomate). Das sind Sorten, die gut schmecken, gesund wachsen, keinen Grünkragen bekommen, recht platzfest sind und eine ordentliche Ernte versprechen. Daneben probiere ich immer wieder andere Tomaten aus, da ja manchmal Sorten aus dem Samenprogramm fallen und ich ein bisschen darauf vorbereitet sein will, wenn „meine“ Tomaten nicht mehr im Prospekt stehen. In diesem Jahr teste ich „Lupitas“ (rote Kirschtomate) und „Montserrat“ (rote Fleischtomate). Von der „Montserrat“ hatte ich sehr Gutes auf der Landesgartenschau in Kamp-Lintfort gehört und deshalb versucht, an Samen zu kommen – leider ohne Erfolg. Im letzten Winter kam ich mit einem benachbarten Gartenfreund ins Gespräch und dieser teilte mir mit, dass er noch ein paar Körnchen „Montserrat“ habe. Falls daraus Jungpflanzen kämen, könnte ich gerne eine haben. Ja – manchmal liegt das Glück viel näher als man glaubt! Tatsächlich klappte das und ich war stolzer Besitzer dieser anscheinend seltenen Tomatensorte. Endlich kam mal wieder etwas ins Gewächshaus, das ich vorher nicht kannte – spannend. Da wusste ich noch nicht, was mich noch erwarten würde…   

Die sechs vorgesehenen Tomaten pflanzte ich in einer Reihe etwas entfernt vom Mittelgang des Gewächshauses, damit nach vorne noch Platz für den zweiten Stamm blieb. Am nächsten Tag schellte es an der Haustür: ein befreundeter Jungimker, den meine Frau als langjährige Imkerin bei seinem neuen Hobby unterstützt hatte, stand dort freudestrahlend: „Ich habe Euch etwas mitgebracht, ein kleines Dankeschön. Du probierst doch so gerne etwas aus“. Seine Frau hatte Tomatenpflanzen selbst gezogen und zwei davon sollten nun in meinem Gewächshaus eine neue Heimat bekommen. Sorten aus Litauen, dem Geburtsland seiner Frau. Spannend – da er auch nicht wusste, welche Eigenschaften die Pflanzen hatten. Das war mal wirklich etwas völlig Neues. Also pflanzte ich sie in die freie Fläche vor meinen Sorten. Mit ein bisschen Wehmut brach ich von den entsprechenden Eigenpflanzen die im Entstehen begriffenen zweiten Stämme aus, da der Platz ja nun anderweitig genutzt wurde.   

Weitere vier Tage später schellte es wiederum an der Haustür. Eine gute Bekannte, für die ich Sämereien mitbestellt hatte, überreichte mir eine Tomatenpflanze: „Das ist dafür, dass Du mir bei der Bestellung so schön geholfen hast. Du hast doch bestimmt noch Platz im Gewächshaus.“ Ein kleines Schildchen im Topf sagte mir, dass es die Sorte „Zucker­traube“ war. Diese Tomate hatte ich bereits vor Jahren ausprobiert. Eine Überraschung gab’s also dieses Mal nicht, da ich noch wusste, dass sie reichlich und gut schmeckende Früchte tragen würde. Wieder die gleiche Prozedur: einpflanzen und Geiztrieb bei der alteingesessenen Tomate rausbrechen. Die Tomatenfläche füllte sich somit wesentlich rascher als ursprünglich vorgesehen. Das war aber ein echtes Überraschungsjahr! Doch es ging noch weiter – hatten sich da etwa ein paar Leutchen abgesprochen? Wie gesagt, meine Frau ist Hobby-Imkerin und jedes Mal froh, wenn sie ihr Wissen weitergeben kann. Deshalb kommen im Frühjahr die Vorschulkinder des Kindergartens, um die kleinen Nektarsammlerinnen kennenzulernen. Zum Abschluss wird meiner Frau zumeist ein selbst gebasteltes oder gemaltes Geschenk überreicht. In diesem Jahr kam noch etwas Zusätzliches dazu. Können Sie sich das vielleicht schon denken? – Eine Tomatenpflanze! Da seit der Pflanzung Mitte Mai bereits über zwei Wochen vergangen waren, schmerzte es mich noch ein wenig mehr, wiederum eine meiner Tomaten zu „vereinzeln“, da der zusätzliche Trieb sich schon gut entwickelt hatte. Aber sei ’s drum – wieder eine unbekannte Sorte und ein neues Abenteuer, da keiner wusste, was für eine Tomate das denn nun war. Dann war aber Schluss; nach diesen vier Neulingen riss der Strom der Tomatengeschenke ab – irgendwie gut aber auch irgendwie schade. Nun bleibt nur noch abzuwarten, was aus diesen Zugereisten wird; bisher entwickeln sie sich prächtig. Was lerne ich daraus: Planung ist (vielleicht) doch nicht alles!   
Manfred Kotters   

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