Wer weiß etwas von Rapontika?

Nachtkerze als Nutzpflanze   

Goethe hätte etwas gewusst, denn der war ein Genießer und Feinschmecker, ein Gourmet, wie man heute sagen würde. Im Herbst, spätestens seit Oktober, hätte er sich darauf gefreut, dass endlich wieder Rapontika auf den Tisch kommt, natürlich aus dem eigenen Garten am Frauenplan in Weimar. Schon im April hatte seine Frau gesät, so dass die Pflanzen Zeit hatten, sich gut zu entwickeln, die Pfahlwurzeln bis Herbst 20 cm lang und etwa 5 cm dick wurden, damit es sich lohnte, aus ihnen leckere, kräftigende und gesunde Gerichte zu zaubern: Suppe, Gemüse oder Salat.   

Das kann heutzutage jeder nachmachen. Er braucht nur Nachtkerzen zeitgerecht auszusäen. Wieso jetzt Nachtkerze, nicht Rapontika? Die Nachtkerze hat weitere deutsche Namen wie Gelbe Rapunzel, Schinkenwurzel und andere. Botanisch unverwechselbar heißt sie ­Oenothera biennis, stammt aus Nordamerika, kam im 17. Jahrhundert nach Europa, bürgerte sich ein. Die indigenen Völker Amerikas wussten sie als Gemüse- und Heilpflanze zu schätzen. Auch hierzulande nutzte man sie vielfältig, bis dieses Wissen in der Konkurrenz mit „moderneren“ Gemüsesorten weitgehend verlorenging.   

Ein akuter Wechsel bahnt sich zum Vorteil einiger Wildpflanzen an. Dazu gehört die Nachtkerze. Als Zierpflanze hat sie immer ihren Platz behauptet, weil sie Nachtblüher und besonders ist. Ihre Blüten öffnen sich abends innerhalb von etwa 15 Minuten. Man sieht zu und staunt. Bestäubung besorgen Nachtfalter. Im Laufe des nächsten Tages vergehen die großen, schalenförmigen, gelben Blüten, doch schon bereiten sich die nächsten Knospen auf das Aufgehen in der Abenddämmerung vor. So geht es von Juni bis Ende September. Nachtkerzen als Zierpflanzen stehen gern vollsonnig und gedeihen selbst in ziemlich magerem Boden.  

Anders Nachtkerzen als Nutzpflanzen. Die sollten, damit die Wurzeln dick genug werden, etwas besseren Boden haben und vorzugsweise im April gesät werden mit nachfolgend langer Wachstumszeit bis zur Blüte im nächsten Jahr, nicht wie sonst üblich bei Zweijahrsblumen erst im Juni. Bei Saat im Sommer ist der Wurzelertrag entsprechend geringer. Erntezeit der Wurzeln ist frühestens ab September bis etwa März. Dann beginnen nach dem Rosettenstadium die Vorbereitungen zur Blüte. Infolgedessen verholzen die Rüben und sind dann nicht mehr genießbar.   

Kenner schätzen den würzig-aromatischen Geschmack der Wurzeln bzw. Rüben. Für Gemüsegerichte werden die Rüben zunächst etwas gegart, damit sie weicher werden, dann mit Salz und Pfeffer gewürzt, mit Sahne, Créme frêche, Eigelb, weiteren Zutaten beliebig verfeinert. Die Nachtkerze ist auch Heilpflanze. Nachtkerzenöl aus den Samen hat den besten Ruf, gereizter, juckender, strapazierter Haut gut zu tun.  

Ilse Jaehner   

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