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„Kannst Du für’s Mittagessen noch ein paar Tomaten holen“, ruft meine Frau aus der Küche. „Klar!“ Und schon mache ich mich mit dem kleinen Ernteeimer auf den Weg zu unserem Gewächshaus. Fünf bis sechs normale, dazu eine Handvoll Kirschtomaten und für`s Auge noch einige gelbe. Als ich gerade zurück gehen will, sehe ich in einer Blattachse einen Geiztrieb, den ich natürlich direkt abknipse. Wo einer ist, da sind bestimmt auch mehr – bei dem Wetter wachsen die Tomaten ja auch wie Hulle. Also kontrolliere ich sämtliche Tomatenpflanzen. Um auch alle unerwünschten Triebe zu erwischen, hole ich noch schnell das Kniekissen, damit ich mir die Tomaten auch aus verschiedenen Blickwinkeln ansehen kann. Tatsächlich, fast jede hat noch irgendwo einen Trieb wachsen lassen. Dabei fällt mir auf, dass sich das Unkraut hier ebenfalls arg breit gemacht hat. Da ich sowieso schon auf den Knieen bin, kann ich das auch noch eben schnell auszupfen.
Ja – so ist das immer wieder, wenn ich im Gewächshaus oder im Garten bin: irgendwas sticht einem ins Auge, das am besten sofort erledigt werden will. Wenn ich zum Beispiel am Abend gieße (ja, ich weiß, das sollte man lieber am Morgen machen; insbesondere, da ich nun Rentner bin und tatsächlich morgens die Zeit dazu hätte. Aber wenn ich ausgiebig gefrühstückt und danach in Ruhe die Neuigkeiten in der Zeitung gelesen habe, steht die Sonne in der gieß-intensiven Sommerzeit schon so hoch am Himmel, dass es für’s Gießen schon wieder zu spät ist…) und mit den Kannen durch den Garten laufe, stelle ich zum Beispiel fest, dass zwei Zucchini dringend geerntet werden müssen. Also: zurück, ein scharfes Messer und die Zucchini-Ernteschüssel (sie ist mit Zeitungen ausgelegt, damit später nicht der eingetrocknete Zucchinisaft der Schnittstellen mühsam von der Schüssel entfernt werden muss) holen. Auf dem Rückweg kreuzt eine Spanische Wegschnecke meine Route. Richtig – die Schneckenverstecke müssen noch kontrolliert werden! Am besten gleich zu den ausgelegten Brettern und Dachziegel gehen, damit die Schleimer mir nicht entwischen. Vorher aber den großen Topf Wasser auf den Herd stellen, damit er während der Sammelzeit auf Kochtemperatur kommt, um den Schnecken einen schnellen Tod bereiten zu können – durchschneiden oder mit Salz bestreuen ist ja reinste Tierquälerei. Da die von mir ausgelegten Schneckenverstecke an diversen Stellen im Garten verteilt sind, dauert es schon eine Weile, die klebrigen Schädlinge mit Schneckenzange und Pinzette einzusammeln. Als ich mit meiner Ausbeute zurückkomme, stolpere ich fast über die Gießkannen. Ach ja – eigentlich wollte ich ja gießen…
Ein anderes Beispiel: es ist August und die Brombeeren werden reif. Zur Ernte nehme ich immer zwei kleine Eimerchen mit, die ich mit S-Haken an meinem Gürtel hänge, damit ich die Hände zum Pflücken frei habe. Zwei Eimerchen, da ich direkt beim Ernten die schlechten (überreife und die von Brombeergallmilbe oder der Kirschessigfliege befallenen Beeren) direkt aussortieren kann; dann ist die spätere Kontrolle beim anschließenden Waschen nicht so aufwändig. Um zu verhindern, dass sich die Schädlinge in den befallenen Früchten weiter vermehren, koche ich die Masse einmal auf. Da ein normaler Küchentopf doch etwas unappetitlich wäre, kommt wieder der „Gartentopf“ in Aktion, der schon bei den Schnecken gute Dienste geleistet hat. Aber zurück zur Brombeerernte. Die eigentlich zügig vonstattengeht, weil meine Brombeeren dornenlos sind. Aber schon fällt mir auf, dass die neuen Jahrestriebe ordentlich gewachsen sind, so dass sie schon weit in den Nachbargarten ragen. Schnell zurück zum Gerätehäuschen, um die Gartenschere und den Eimer mit der Rolle Bindegarn holen, um den Ausbreitungsdrang der Brombeeren in die richtigen Bahnen zu leiten. Beim Festbinden erwischt es mich an der Hand: nein, zum Glück keine Wespe; da haben sich doch tatsächlich unbemerkt ein paar Brennnesselpflanzen zwischen die Brombeerranken gemogelt. Das muss nicht sein – einmal verbrennen reicht! Obwohl es ja gesund sein soll, sich die Haut von Brennnesseln malträtieren zu lassen, hole ich doch lieber die Arbeitshandschuhe; manchmal bin ich doch wohl eher ein Warmduscher. Zum Glück standen die geernteten Brombeeren während der ungeplanten Aktionen im Schatten…
„Da bist Du ja endlich“, empfängt mich meine Frau, „wo warst Du denn die ganze Zeit? Es kann doch nicht so ewig dauern, ein paar Tomaten zu pflücken!“ Stimmt – eigentlich!
Manfred Kotters